Treffer

Von Künstlern und Spionen

Da sich die Eltern meist in intellektuellen Kreisen bewegten und ihre zwei Töchter oft mit auf Reisen nahmen, lernten diese schon früh gleich mehrere Sprachen. Doch meinte die jüngere später: „Das bürgerliche Milieu war nicht meins – daher habe ich mir ein eigenes geschaffen. Es bestand hauptsächlich aus Dichtern.“

Wie das Leben so spielt, hatte sie eine kurze Affäre mit einem Poeten, der aber in die bereits verheiratete Schwester verliebt war; eine Menage à trois zwischen Ehepaar und Poet wurde kolportiert. Nach Abschluss ihres Architekturstudiums ehelichte die jüngere einen französischen Offizier und folgte ihm auf eine Insel in der Südsee. Allerdings war sie dort unglücklich; die Ehe zerbrach, sie kehrte zurück nach Europa. Über die folgenden Jahre reiste sie viel, traf Künstler und Denker und lernte in Berlin zwei Schriftsteller aus der Heimat kennen. Der eine machte ihr den Hof – ohne Erfolg –, ermutigte sie aber auch, selbst zu Papier und Schreibutensil zu greifen.

Zu der Zeit begann sie sich für den Kommunismus zu interessieren. Genau wie die ältere Schwester: Die war als Informantin der russischen Geheimpolizei tätig, ihr zweiter Ehemann hatte dort einen Posten angenommen. Ihre Kontakte reichten bis in die höchsten Ämter, und diese wusste sie zu nützen: In einem Brief an den Staatschef beklagte sie einmal, dass das Werk des Poeten ihrer mutmaßlichen Menage à trois nach dessen Selbstmord unbeachtet bliebe. Der Staatschef reagierte prompt und ordnete eine Gesamtausgabe sowie die Behandlung der Werke in Schulen an; über die Frau hielt er seine Hand, indem er ihren Namen von einer schwarzen Liste streichen ließ. Später bedauerte sie dennoch ihre Nähe zum Regime.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.