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Angst vor Bankenpleiten: Krisensitzungen in USA und Großbritannien

US-Finanzministerin Janet Yellen
US-Finanzministerin Janet YellenAPA/Getty Images via AFP/GETTY I
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US-Finanzministerin Yellen zufolge soll es trotz des Zusammenbruchs der Silicon Valley Bank keine größere Rettungsaktion geben.

Nach der Pleite der US-Bank SVB geht an den Finanzmärkten die Sorge vor weiteren Zusammenbrüchen um. In den USA, aber auch in Großbritannien sorgte der Fall am Wochenende für Krisensitzungen. Es soll verhindert werden, dass die Pleite weitere Firmen in Mitleidenschaft zieht. Die auf die Finanzierung von Technologiefirmen in Kalifornien spezialisierte Bank setzt bereits zahlreiche Startups unter Druck, die nun Probleme haben, ihre Mitarbeiter weiterzubezahlen.

Die USA wollen sich Finanzministerin Janet Yellen zufolge nach dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank ohne eine größere Rettungsaktion um Konteninhaber kümmern. Während der Finanzkrise sei der Staat Investoren und Anteilseignern von systemrelevanten Großbanken zur Seite gesprungen, sagte Yellen am Sonntag dem Sender CBS. Die seitdem in Kraft gesetzten Reformen bedeuteten jedoch, dass ein solcher Schritt nicht wiederholt werde. "Aber wir sorgen ums um die Einleger und konzentrieren uns darauf, deren Bedürfnisse zu erfüllen", betonte der US-Finanzminister.

Starke Zinserhöhungen in der Kritik

Experten machen die starken Zinserhöhungen in den USA mitverantwortlich für die Probleme der SVB. Mit deutlichen Zinserhöhungen haben zuletzt Zentralbanken rund um den Globus versucht, die spätestens seit dem russischen Angriff auf die Ukraine vor einem Jahr sprunghaft gestiegene Inflation einzudämmen. Nach mehr als einem Jahrzehnt mit Nullzinsen zeigen sich nun aber Risse im Finanzsystem. Einige Investoren fürchten, dass sich der plötzliche Kurswechsel jetzt rächt. In den USA hat die Notenbank Fed die Zinsen so stark angehoben wie seit den frühen 1980er-Jahren nicht mehr. Als Nebenwirkungen davon gelten ein Ausverkauf bei Technologieaktien, Turbulenzen bei Kryptowährungen sowie Druck auf amerikanische und britische Immobilienfonds.

Die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) mit Sitz in Santa Clara ist der größte Kollaps seit der globalen Finanzkrise von 2008. Das Institut hatte Ende 2022 Vermögenswerte von 209 Milliarden Dollar in der Bilanz und war damit die Nummer 16 der US-Bankenbranche. Bislang leiden vor allem Investoren unter der Pleite, die besonders riskante Wetten eingehen. Das könnte sich aber ändern, befürchten Experten. Bekannte Investoren wie Kyle Bass und Bill Ackman fordern von der Regierung ein schnelles Eingreifen, um zu vermeiden, dass Kunden massenhaft ihre Bankeinlagen abheben wollen. Bei der SVB hatten Kunden an nur einem Tag 42 Milliarden Dollar abgezogen. Die kalifornische Aufsichtsbehörde zog daraufhin am Freitag den Stecker und schloss das Institut.

Wegen der Größe der SVB ist der Kreis möglicher Retter begrenzt. Die Fed und die US-Einlagensicherung FDIC erörtern einem Bericht der Agentur Bloomberg zufolge eine Auffanglösung für Institute, die nun auch unter Druck geraten könnten. So könnte versucht werden, Bankkunden zu beruhigen, um Panik zu vermeiden. Die Fed und die FDIC wollten sich dazu nicht äußern. Das Weiße Haus hatte am Samstag mitgeteilt, US-Präsident Joe Biden habe mit dem kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom über die Bank gesprochen.

Fed hält Sondersitzung ab

Die Fed kündigte für Montag eine Sitzung ihres Gouverneursrats an. Es werde dabei in erster Linie um Vorschuss- und Diskontsätze gehen, so die US-Notenbank am Sonntag. Die Kreditvergabe der Fed über das sogenannte Diskontfenster spielt eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Liquidität und Stabilität des Bankensystems. Durch den einfachen Zugang zu Finanzmitteln hilft es den Geldinstituten laut der Notenbank, ihre Liquiditätsrisiken effizient zu verwalten und Maßnahmen zu vermeiden, die negative Folgen für ihre Kunden haben - insbesondere in Zeiten von Marktstress. Somit unterstützt das Diskontfenster laut der Fed den reibungslosen Kreditfluss an Haushalte und Unternehmen.

Die Regierung in London bemühte sich unterdessen darum, die Folgen des Zusammenbruchs der auch in Großbritannien vertretenen SVB so gering wie möglich zu halten. "Die Regierung behandelt dieses Thema mit hoher Priorität", sagte Finanzminister Jeremy Hunt. "Die Regierung arbeitet mit Hochdruck an einer Lösung, um Schäden für einige unserer vielversprechendsten Unternehmen in Großbritannien zu vermeiden oder zu minimieren." Es solle kurzfristig sichergestellt werden, dass Betriebs- und Cashflow-Anforderungen der Kunden der Silicon Valley Bank UK erfüllt werden könnten. Die Bank von England hatte bereits am Freitag mitgeteilt, dass sie vorhabe, den britischen Arm der SVB in ein Insolvenzverfahren zu überführen.

In Deutschland gelten Auswirkungen derzeit als begrenzt, auch weil die SVB hierzulande keine Tochtergesellschaft hat. Es gibt nur eine vergleichsweise kleine Zweigstelle. "Wir haben die aktuellen Entwicklungen im Blick und berücksichtigen sie im Rahmen unserer laufenden Aufsicht", teilte die Bonner Finanzaufsichtsbehörde BaFin am Freitag mit.

Anleger sind nervös

In den USA hatte die Fed zuletzt weitere Zinserhöhungen signalisiert. An der Wall Street waren Anleger auch deswegen nervös. Der breit gefasst S&P-500-Index gab in der abgelaufenen Börsenwoche 4,6 Prozent nach. Der sogenannte Volatilitätsindex, an dem sich kurzfristige Ängste abmessen lassen, sprang auf den höchsten Stand seit drei Monaten. Gefragt waren vor allem sichere Anlagen wie zweijährige US-Staatsanleihen. "Die Fed strafft die Zügel normalerweise so lange, bis etwas kaputt geht", sagte Fondsmanager Jack McIntyre von Brandywine Global. Die SVB war vermutlich anfällig für zu starke Zinsschwankungen und konnte Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen. Andere Banken in den USA bemühten sich zu betonen, ihre Liquiditätslage sei gesichert.

Mehr als 3500 Firmenchefs und Gründer aus den USA forderten dort die Politik auf, Kundeneinlagen absichern. Sonst seien die Gehaltszahlungen vieler Firmen gefährdet. Mehr als 100.000 Jobs könnten ebenfalls in Gefahr sein. Es brauche eine stärkere Aufsicht und schärfere Kapitalanforderungen an regionale Banken. In Großbritannien schickten mehr als 250 Chefs von Technologiefirmen einen gemeinsamen Brief an die Regierung in London, in dem sie diese zum Eingreifen aufriefen.

Dem Nachrichten-Portal Semafor zufolge wollen Hedgefonds Startup-Einlagen bei der SVB für 60 bis 80 Prozent des eigentlichen Werts aufkaufen. Das US-Nachrichtenportal Axios berichtete, die SVB habe kurz vor ihrem Kollaps noch Jahresboni ausgezahlt. Berechtigte Mitarbeiter hätten wenige Stunden vor der Schließung ihre Leistungsprämien erhalten. Die Aktien des Instituts hatten am Donnerstag einen Rekord-Tagesverlust verbucht und damit Börsenwerte von rund 80 Milliarden Dollar ausgelöscht.

(APA/Reuters)

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