Inflationsbekämpfung

Ökonom Badelt: Mangel an Betreuung "beinahe lächerlich"

 Wirtschaftswissenschaftler Christoph Badelt
Wirtschaftswissenschaftler Christoph Badelt APA/ROLAND SCHLAGER
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Fiskalratchef Badelt übt in der ORF-"Pressestunde“ Kritik an üppigen Hilfen, fordert einen Kompromiss bei den Mieten und reagiert auf Nehammers Grundsatzrede.

Wien. Der Wohlstandsverlust ist nicht aufzuhalten – auch nicht von der Bundesregierung, die sich sichtlich bemüht, aber über das Ziel hinausschießt. So in etwa lautet ein Überblick von Christoph Badelt, Chef des Fiskalrats, den er am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“ über die wirtschaftliche Situation abgegeben hat. Als Chef des Fiskalrats wacht Badelt über die Verschuldung der Republik. Nun gehe es darum, wie der Verlust in der Bevölkerung aufgeteilt werde.

Bei so manchem Lob für die Krisenmaßnahmen der türkis-grünen Regierung klingt aber auch, erneut, Kritik durch. Die massive Teuerung treffe nicht automatisch die unteren Einkommen stärker, aber anders, sagte Badelt am Sonntag. Deshalb sei es notwendig, die vielen finanziellen Unterstützungen treffsicherer auszubezahlen. Da und dort sei es zu Überförderungen gekommen. Bei Privaten wie bei Unternehmen.
Tatsächlich kritisiert auch die EU-Kommission manche im Zuge der Coronakrise ausbezahlten Hilfen.

In der Vorwoche war bekannt geworden, dass die Kommission schon im Laufe des Vorjahres Kritik an den Kriterien für Wirtschaftshilfen geübt und dazu Anfragen gestellt hatte. Sie sieht nur Unternehmensverbunde als förderungswürdig an. In Österreich zählen laut Richtlinie aber auch Einzelunternehmen dazu, die mitunter zu einem Unternehmensverbund gehören. Die EU-Kommission will nun alle ab dem Frühjahr 2020 ausbezahlten Hilfen prüfen. Gibt es keine Einigung zwischen EU-Kommission und dem ÖVP-geführten Finanzministerium, werden manche Firmen wohl ihre Hilfen zurückzahlen müssen.

Mietenproblem „pragmatisch“ lösen

Badelt äußerte sich auch zu teils ungerechtigfertigten Preiserhöhungen. Manche seien durch die Energiepreise nicht zu begründen. Es sei etwa nicht gerechtfertigt, infolge höherer Energiepreise Parkgebühren zu erhöhen – aus Umweltschutzgründen aber durchaus. Badelt spricht sich auch dafür aus, den Verkehr aus diesen Gründen zu verteuern.
Dass in Österreich die Inflation höher ausfällt als in anderen EU-Staaten, liege auch an der Zusammensetzung des Warenkorbs, auf dessen Basis der Verbraucherpreisindex (VPI) errechnet werde. Preisdeckel, wie ihn andere Länder, etwa Spanien, eingeführt haben, wirkten zwar schnell, würden aber die Frage aufwerfen, wie „gescheit“ sie seien. Die Regierung sei jedenfalls nicht primär dafür zuständig, die Inflation zu bekämpfen, sondern deren Auswirkungen – und hier sei viel geschehen, lobte Badelt.

Den von der SPÖ geforderten Mietendeckel – die geplante türkis-grüne Mietpreisbremse wurde Ende Februar in letzter Minute nicht beschlossen – kann sich Badelt vorstellen. Er plädiert jedoch für einen „pragmatischen Kompromiss“, der auch Immobilieneigentümer berücksichtige. Die SPÖ fordert einen Preisdeckel bei zwei Prozent. Diesen findet Badelt „sachlich nicht gerechtfertigt“. Der von der ÖVP vorgeschlagenen Streichung der Grunderwerbssteuer für das erste Eigenheim kann er mehr abgewinnen: „Ich find' es schön, wenn in einer Gemeinschaft mehr Eigentum da ist.“ Überlegenswert findet er eine Änderung der Bindung der Richtwertmieten an den VPI. Aktuell würden die Mieter die hohen Energiepreise zweimal bezahlen. Sinnvoller sei eine verstärkte Orientierung der Mietanpassungen an Bau- und Handwerkskosten.

Beim Steuerthema sprach sich Badelt für eine Vermögenszuwachssteuer aus, nicht aber für eine Steuer auf bestehendes Vermögen. Die Senkung der Körperschaftssteuer (KÖSt) hält er für einen „Fehler“. Wolle man Unternehmen entlasten, „dann bitte doch bei den Lohnnebenkosten“. Ein „unseliger europäischer Wettbewerb in Sachen KÖSt-Senkung“ sei nicht das richtige Instrument.

Zum Fachkräftemangel befragt, gab Badelt drei Ansätze vor: Mehr Frauen müssten Vollzeit arbeiten, Ältere müssten länger arbeiten und schlecht ausgebildetes Personal müsste höher qualifiziert werden. Für den ersten Punkt sei die Kinderbetreuung zentral. „Es ist beinahe lächerlich, wie lange schon von der Verbesserung der Kinderbetreuung gesprochen wird“, sagte Badelt. Auch beim zweiten Punkt wurde er deutlich: Steigt die Lebenserwartung, muss das Pensionsantrittsalter steigen – auch das gesetzliche, nicht nur das faktische. Dabei müsste man aber sozial ausgleichen – mit Verweis auf Berufssparten, die körperlich belastet sind.

Nehammer-Vorstoß sieht er „skeptisch“

Zur Grundsatzrede von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP), der künftig nur jenen Zuwanderern alle Sozialleistungen gewähren will, die durchgehend fünf Jahre in Österreich leben, äußerte sich Badelt kritisch. Man müsse „sehr, sehr aufpassen“, dass man nicht eine Stimmung erzeuge, „wo sich alles gegen Ausländer richtet“. Unklar sei, welche Beihilfen Nehammer genau meint. Weniger Familienbeihilfe könnte „zu einer massiven Armutszunahme von Kindern“ führen.

Die Sozialhilfe als solche sei „das unterste Sicherheitsnetz“. Würde man diese für jene kürzen, die „Ausländer sind“, wolle Badelt „gern wissen, wovon die dann leben werden“. Damit schaffe man „massive soziale Probleme“ – mit Schwarzarbeit und Kriminalität als mögliche Folgen. (juwe/APA)

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