Filmkritik

„Saint Omer“: Kindstod in den Wellen – von der Mutter organisiert

Der französische Film beruht auf einem wahren Fall: Hier die Senegalesin Laurence Coly, gespielt von Guslagie Malanda.
Der französische Film beruht auf einem wahren Fall: Hier die Senegalesin Laurence Coly, gespielt von Guslagie Malanda.Filmgarten
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Eine Frau bringt ihr Kleinkind um: Kann man, darf man das Unfassbare nachvollziehen? Das fragt das Gerichtsdrama „Saint Omer“.

„Ich sagte mir, dass das Meer ihren Körper davontragen würde.“ Es hat etwas Poetisches, Anmutiges, wenn Laurence Coly (Guslagie Malanda) ruhig und präzise der Richterin erzählt, wie sie ihre Tochter getötet hat. Wie sie mit dem Baby spielte, im Dunkeln zum Strand ging, das Kind ein letztes Mal stillte. Und es dann dort zurückließ, im Wissen, dass die Flut ansteigen würde. „In dieser Nacht schlief ich felsenfest.“

Warum sie das getan habe? Das wisse sie nicht, sie hoffe, es im Laufe der Verhandlung zu verstehen. Es ist eine wahre Begebenheit, die Frankreich 2013 beschäftigte: Die im Senegal geborene Philosophiestudentin Fabienne Kabou sorgte dafür, dass ihre 15 Monate alte Tochter im Meer ertrank. Die Pariser Regisseurin Alice Diop hat diesen Fall nun zur Basis ihres Films „Saint Omer“ gemacht, einer modernen Medea-Interpretation. Diop, selbst Französin mit senegalesischen Wurzeln, saß im Gerichtssaal, als der Kindsmörderin der Prozess gemacht wurde. Sofort war sie gebannt von der Tragödie und der Frau. Nach einigen Dokumentationen, die aus der Sicht von Marginalisierten und Migranten auf die französische Identität blicken, hat sie die Gerichtsverhandlung in der Provinzstadt Saint Omer zum Zentrum ihres ersten Spielfilms gemacht.

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