Stilkritik

Crème de la Crème - Die (süße) Mode der Oscars

Tems im Lever Couture.
Tems im Lever Couture. (c) Getty Images (Mike Coppola)
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Gelegentlich erinnerte das Aufgebot am (eigentlich nicht) roten Teppich an eine Brautmodenschau. Nur eine gab sich in zerrissenen Jeans und T-Shirt.

Streng genommen ist die Farbe der Stunde gar keine Farbe. Vielmehr die Abwesenheit davon, in vielen Nuancen. Gustiöse Namen zieren die farblose Ästhetik: Champagner, Butter, Vanille. Das macht sich gut auf Instagram, TikTok oder als Hashtag. #VanillaGirls heißt der Trend, der zuletzt die Runde machte. Was wie eine Band der Neunzigerjahre klingt, ist in Influencerinnen- Kreisen die aktuelle Ästhetik. Man trägt fast nur helle, aber unbunte Töne, richtet auch die Wohnung in solchen ein, samt Kinderzimmer und Babys, falls vorhanden. Auch für diese hat die Netzblase längst einen Namen: „Gray-bies“, ein englisches Kofferwort für eine Generation, deren Kinderwelt farblos scheint – aus elterlicher Hingabe an den eigenen Instagram-Feed. US-Autorin Hayley DeRoche spricht von „sad beige“, also traurigem Beige.

Für Interieur à la Vanille war in der Oscarnacht jedenfalls gesorgt, der traditionell rote Teppich wurde unverhofft in champagnerfarben ausgerollt. Ob sich die Academy derart der viralen Ästhetik einer jungen Generation verschreibt und sie so für sich gewinnen wollte, oder die neutrale Farbwahl Ausdruck des Minimalistischen und Nachhaltigen sein hätte sollen, darüber lässt sich mutmaßen. Geladene Prominente taten es ihr immerhin gleich. Ungewöhnlich viele bestritten die Nacht in Weiß oder Creme, obwohl bisher Rot als die immerwährende Trendfarbe der Oscarnacht galt (passend zum einstmaligen Teppich) oder Gold (der Statue in Ehren). Dieses Jahr griff einzig das Model Cara Delevingne zur ausladenden karminfarbenen Robe, Sigourney Weaver trug als eine der wenigen Gold. 

Junger (heller) Glam

Neben weißen Nuancen war auch blassgelb gesehen, an Kerry Condon - die Farbe ihres einstigen Kinderzimmers, wie sie sagte -, ebenso wie silbrig. Mindy Kaling trug ein weißes Kleid mit Bustier und extra Ärmeln von Vera Wang, Sofia Carson eines von Giambattista Valli, das samt Bausch und Bogen eher nach Hochzeit als den Oscars aussah. Auch Sängerin Tems war von Kopf bis Fuß in weißen Tüll gepackt, das Kleid entstammt einem ukrainischen Label, Lever Couture. 

Ebenfalls in Weiß: die beste Hauptdarstellerin Michelle Yeoh (mit einer Menge Federn von Dior), Halle Berry (Rosenblüten setzten glamouröse Akzente), Emily Blunt, Zoe Saldana, Ariana DeBose, Nischelle Turner und Eva Longoria, um nur eine Handvoll zu nennen. Florence Pugh verkörperte mit ihrem gebrochen weißen Kleid ein junges Hollywood. Üppiges wird hier nur so umsichtig eingesetzt, dass es nicht altbacken wirkt. Im speziellen Fall sorgt ein kurzer schwarzer Bodysuit mit Hosentasche für den nötigen Kontrast zum Puff darüber. Pugh selbst nennt es „a bit of a Moment“. Paul Mescal in weißem Sakko bediente sich mit ausgestellter Hose und zackigem Kragen an Reminiszenzen der Siebzigerjahre. Begleitet wurde der Nominierte von seiner Mutter. 

Florence Pugh in Valentino Couture.
Florence Pugh in Valentino Couture. (c) Getty Images (Arturo Holmes)
Paul Mescal in Gucci, mit seiner Mutter bei den Oscars.
Paul Mescal in Gucci, mit seiner Mutter bei den Oscars.(c) Getty Images (Emma McIntyre)

Generell scheint Hollywoods jüngste Garde sich aber gerne (wieder) klassisch zu kleiden. Nachdem Timothee Chalamet letztes Jahr ohne Shirt überraschte und Kristen Stewart auf Hotpants statt Kleid setzte, übt man sich heuer wieder in schlichter Eleganz. So etwa Austin Butler, der Elvis gerade einer neuen Generation näher gebracht hat und stiltechnisch als junger Brad Pitt zu titulieren ist. Neben Weiß gab es vor allem altbekannte Pailletten, Glitzer und Steinchen zu bestaunen, an Malala Yousafzai, Nicole Kidman und Lorenzo Zurzolo etwa. 

Rein(weiß) statt gebraucht

Wider aller Erwartungen handelte dafür Lady Gaga, wenn auch nicht am champagnerfarbenen Teppich. Dort war sie, noch in einer erst am Donnerstagabend von Gigi Hadid am Laufsteg präsentierten Versace-Robe, zu sehen. Mit roten Lippen und dunklem Augen-Make-up. Robe und Make-up entledigte sie sich für ihre Bühnen-Perfomance, vielleicht hatte sie deshalb keine Zeit für Interviews. Sie trat anschließend in zerrissener Jeans und T-Shirt auf, was für angenehm wenig Trara sorgte. 

Lady Gaga in Jeans und T-Shirt auf der Oscar-Bühne.
Lady Gaga in Jeans und T-Shirt auf der Oscar-Bühne.(c) Getty Images (Kevin Winter)
Rihanna in Maison Margiela.
Rihanna in Maison Margiela.(c) Getty Images (Kevin Winter)

Rihanna hingegen setzte von Teppich zu Bühne noch eines drauf. Zwar wechselte sie vom ebenfalls dunklen, figur- und schwangerschaftsbetonten Kleid (von Alaïa) zur Hose, allerdings mit ordentlich Klimblim, in gewohnter Oscar-Manier (von Maison Margiela). Den Hang zur hellen Farbspeisekarte dürften beide nicht verspürt haben. Ohnehin wirkt dieser recht doppelbödig. Versucht man sich tatsächlich mittels Naturtönen minimalistisch und umweltbewusst zu geben, etwas, das dem Farbschema aus farbpsychologischen Fachkreisen nachgesagt wird, wären Kleider aus zweiter Hand vermutlich die bessere Wahl. Von denen sah man in der Oscarnacht - anders als auf dem heimischen Opernball - kaum eines. 

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