Randerscheinung

Ausmisten macht sentimental

Carolina Frank
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Dieser Marie-Kondo-Hype ist ja schon länger vorbei. Ich habe neulich sogar gelesen, dass sie jetzt auch ein Messie ist, was ich immer schon vermutet hatte.

Das Problem mit dem Ausmisten ist aber geblieben. Ich zum Beispiel habe einen Kleiderkasten (eigentlich sind es Laden und niedrige Regale mit Schiebetüren), in denen sich meine gesamte Anzieh­biografie drängt und stapelt. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um Jeans, Pullover und T-Shirts (meine zwei ­Millionen ausgelatschten Sneakers machen derweil unsere Garderobe unbegehbar). Lange Zeit habe ich diesen Saustall mit dem Vintage-Gedanken gerechtfertigt. Also mit dem Argument, ich könne das ja alles irgendwann wieder anziehen. Was irgendwie stimmt, irgendwie aber auch nicht. Ich habe selten alte Sachen gefunden, wenn ich sie gesucht habe, wenn doch, waren sie so zernudelt, dass an ein unkompliziertes Benützen nicht zu denken war.

Dann bin ich irgendwann zu den großen Buben gegangen und habe ihnen gesagt, sie sollen sich nehmen, was sie brauchen können. Sie haben sich dann vor allem das genommen, was auch ich noch hätte brauchen können. Seither habe ich nur mehr zwei Jeans, die mir passen, die ich nun abwechselnd trage. Was jetzt noch im Kasten übrig ist, muss ich also einzeln aussortieren wie das Aschenputtel (leider gehört fast alles ins Kröpfchen). Dabei werde ich sentimental, weil ich mit vielen Stücken gute Zeiten verbinde, die, wenn man dieses Leiberl da so anschaut, offenbar schon recht lang vorbei sind. Jeans mit Rissen kann man in meinem Alter sowieso nur noch im Garten anziehen, da ich aber nie im Garten bin (also nicht auf diese Art), eben gar nicht mehr. Ich verstehe jedenfalls gut, dass Marie Kondo nach dem vielen Auf­räumen die Lust verloren hat. 

("Die Presse Schaufenster" vom 24.02.23)

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