Die Ich-Pleite

Fasten ist doch kein Verzicht

Carolina Frank
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Nur die Stursten unter uns behaupten noch: Wenn es klingt wie Verzicht, wenn es sich anfühlt wie Verzicht, dann ist es auch Verzicht.

Die Fastenzeit ist wieder in. Ich würde sogar sagen: Sie war noch nie so in wie heute. Sicher, die katholische Kirche hat im Moment nicht viel davon. Denn ihr laufen die Schäfchen in Scharen davon. Die Anzahl der Kirchenaustritte war vorher nur während der Nazizeit ähnlich hoch wie heute. Dabei hat die Kirche viele Jahrhunderte lang auf dem Fastensektor den Ton angegeben. Sie hat gepredigt, dass man durch Verzicht ein besserer Mensch werden kann.

Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, selbst mit gutem Beispiel voranzugehen. Aber ich fürchte, auch mit den besten Absichten ist es schwerer geworden, die Menschen zum freiwilligen Verzicht zu bewegen. Und ein besserer Mensch werden will heute auch niemand mehr. Höchstens ein schlankerer. Wer es sich leisten kann, quartiert sich dazu in einem schönen Fastenhotel ein und zahlt einen halben Monatslohn, um sich eine Woche lang „nichts“ vorsetzen zu lassen. Das Verzicht-Gefühl wird einem durch Yogabegleitung und Kräutertees weggesäuselt. Wer es sich nicht leisten kann, muss aber auch nicht unbedingt verzichten. Man muss nur das Sattessen gegen Superessen austauschen, mit seinen Social-Media-Freundinnen Detox-Partys machen und Low-Carb-Rezepte austauschen.

Fünf Kilo in zehn Tagen loswerden ist eigentlich der reinste Spaß. Und nur die Stursten unter uns behaupten noch: Wenn es klingt wie Verzicht, wenn es sich anfühlt wie Verzicht, dann ist es auch Verzicht. Früher hätte ich dazugehört. Aber jetzt weiß ich: Fünf Kilo in fünf Wochen ohne Diät, Hunger und Fitnessstudio loswerden funktioniert wirklich. Ich habe es selbst gesehen. Nicht bei mir. Aber bei einer Freundin. Es war ganz einfach. Sie hat ihren Ehemann auf Tinder entdeckt.

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("Die Presse Schaufenster" vom 10.03.23)

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