Morgenglosse

Wenn Politiker Verantwortung abschieben

Die Impfpflicht sei falsch gewesen, man sei da aber nur dem Rat der Ärzte gefolgt, sagt Johanna Mikl-Leitner.

Wann ist das eigentlich eingerissen, dass sich Politiker nicht mehr für ihre eigenen Entscheidungen verantwortlich fühlen? Bundeskanzler Karl Nehammer wollte schon die Verantwortung für die Corona-Maßnahmen  an „die Experten“ delegieren, denen man „hörig“ gewesen sei - um dann zurückzurudern: Er sei missverstanden worden.

Die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner schlägt nun in dieselbe Kerbe: Die Entscheidung für die Impfpflicht sei falsch gewesen, aber da sei man „dem Rat der Ärzte“ gefolgt. Sämtliche Ärztekammern hätten sich dafür ausgesprochen. Mikl-Leitners Aussagen sind den aktuellen Koalitionsverhandlungen mit den Freiheitlichen geschuldet: Die setzen eine Abrechnung mit der Corona-Politik an die Spitze ihrer Agenda, Mikl-Leitner kommt ihnen mit ihrer weichgespülten Selbstkritik in Sachen Impfpflicht ein kleines Stück entgegen.

Nur: Der Verweis auf „die Ärzte“ ist schlicht und einfach falsch. Wer die Genese der Impfpflicht im November 2021 kennt, weiß, dass die ÖVP, speziell der frühere steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer, die treibende Kraft war. Die SPÖ in Person von Bürgermeister Michael Ludwig hatte angesichts der Delta-Welle auf einen Lockdown gedrängt, die ÖVP-Landeshauptleute hatten im Gegenzug auf eine Impfpflicht gepocht. Und der „Rat der Ärzte“? Den mag es gegeben haben. Aber wären die Landeshauptleute nicht ohnehin auf die Impfpflicht umgeschwenkt, hätten sie die Empfehlung der Ärztekammer schlicht ignoriert - wie das in vielen anderen Fällen ja auch passiert.

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