Gastkommentar

Warum wir jetzt handeln müssen

Arbeitsmarkt. Österreich altert und der Mangel an Arbeitskräften wird sich ausweiten. Dies betrifft letztlich uns alle.

Die Autorin

Julia Moreno-Hasenöhrl (*1985), studierte Juristin und stv Leiterin der Abteilung für Sozialpolitik in der WKÖ.

Beginnen wir mit einer guten Nachricht: Unsere Lebenserwartung steigt kontinuierlich. Aktuell liegt diese für Frauen bei bereits 84 Jahren (1951: 68 Jahre) und wird laut Prognose der Statistik Austria bis 2080 auf 92 Jahre ansteigen.

Allerdings – und hier kommt die schlechte Nachricht – haben wir seit Jahrzehnten eine sehr niedrige Geburtenrate. Letztes Jahr starben in Österreich um 3730 Personen mehr, als geboren wurde. 2040 wird die negative Geburtenbilanz 9.383 Personen ausmachen. Diese demografischen Faktoren wirken sich immer stärker auf den Arbeitsmarkt und auf unsere Gesellschaft aus. Denn fehlen die Jungen (lernende Bevölkerung) und potenziell Erwerbstätigen, wer finanziert dann unser Sozialsystem und erwirtschaftet unseren Wohlstand?

Wie unsere demografische Zukunft aussehen wird, wenn in den nächsten Jahren die „Baby-Boomer“ verstärkt in Pension gehen, kann man sehr gut bereits jetzt in den empirischen Daten ablesen. Die Statistik Austria erstellt laufend die sogenannte Bevölkerungsprognose für Österreich. Dabei werden statistische Daten aus der Vergangenheit bzw. Gegenwart mit statistischen Prognosen zu Geburtenrate, Sterbefälle, Lebenserwartung sowie Zu- und Abwanderung verknüpft.

Die aktuelle Prognose für Österreich bis 2040 besagt folgendes:

• Die Anzahl an Personen im erwerbsfähigen Alter (20-65 – Jährige) sinkt um knapp 244.000.

• Gleichzeitig steigt die Bevölkerung der Generation 65+ um rund 834.000 Personen an.

• Die unter 20-Jährigen bleiben weitgehend konstant, ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung sinkt allerdings um fast 1 % (2023: 19,5 %; 2040: 18,6 %).

Diese demografische Entwicklung zeigt sich auch im Staatsbudget. Das Finanzministerium hat in der langfristigen Budgetprognose 2022 berechnet, dass die demografieabhängigen Ausgaben für Pensionen, Gesundheit und Pflege von 21,8 % des BIP im Jahr 2019 auf 25,5 % des BIP im Jahr 2040 steigen. Die Berechnungen basieren auf einer durchschnittlichen Nettozuwanderung von 33.000 Personen pro Jahr. Fällt dieser Wert geringer aus, was aufgrund der demografischen Situation in vielen vor allem europäischen Ländern wahrscheinlich ist, so sind die Auswirkungen entsprechend stärker.

Dies ist alarmierend, denn so steigt die Staatsverschuldung, die Finanzierung des Sozialsystems gerät unter Druck und es fehlt das Budget für die wichtigen Zukunftsinvestitionen in Bildung, Familie, Digitalisierung und ökologische Transformation.

Warum betrifft mich das?

Kurz gesagt: Uns gehen die Arbeitskräfte aus und wir müssen eine stark steigende Anzahl von nicht erwerbstätigen Personen finanzieren. Das betrifft nicht nur die Unternehmen, sondern jeden von uns. Längere Wartezeiten auf den nächsten Friseur-, Arzt- oder Reparaturtermin, teurere Produkte und Dienstleistungen, steigende Urlaubskosten und fehlende Pflegeplätze sind nur einige der direkten Folgen, die uns erwarten, wenn wir nicht handeln.

Die Alarmglocken müssten aufgrund dieser Daten schrillen. Wir müssen sämtliche Potenziale am Arbeitsmarkt aktivieren, von Frauen, Älteren, Migrantinnen und Migranten über Arbeitslose. Das betrifft natürlich auch die Themen Bildung, Gesundheit und insbesondere die aktive Bewerbung des Arbeitsstandortes Österreich im Ausland sowie Gewinnung von internationalen Fachkräften. Nur durch Verbesserung der Rahmenbedingungen und aktiven Maßnahmen in diesen Bereichen können wir uns Handlungsspielraum für die Zukunft schaffen und unseren Wohlstand wahren.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2023)

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