Auf der Südhalbkugel ist Peking ein beliebterer Kreditgeber als der Westen – eine bittere, heilsame Lehre.
Die Weltbanker können einem richtig leidtun. Jahrzehntelang waren sie die liebste Zielscheibe der Globalisierungskritiker. Dabei gehen sie auch beim bösesten Willen nicht mehr als Erfüllungsgehilfen des US-Imperialismus durch. Niemand vergibt heute Kredite an Entwicklungsländer skrupulöser als die Ökonomen aus Washington. Die Folge: China läuft dem Parade-Geldgeber des Westens den Rang ab. Peking geht es um Rohstoffe, Macht, Währungsdominanz. Eben jene Kolonialherren-Laster, die man der Weltbank lange vorgeworfen hat.
Darüber kann man trefflich wehklagen – oder vom Gegner lernen. Chinas Investitionen erfolgen schnell und unbürokratisch. Sie zielen auf die Infrastruktur: Straßen, Häfen, Kraftwerke – die besten Hebel für wirtschaftlichen Aufschwung. Vor allem aber bietet China ein Geschäftsmodell: als Käufer einfacher Vorprodukte und Konsumgüter, die es selbst nicht mehr zum Bestpreis produzieren kann.
So werden die roten Kapitalisten als Partner in Augenhöhe empfunden. Und die Demokratie? Die Umwelt? Die sozialen Standards? Der Westen muss lernen, dass er seine Werte nicht wie ein Oberlehrer mit dem Rohrstab vermitteln kann. Das schafft, wie in der Schule, heimlichen Widerstand. Zuweilen führen Umwege schneller zum Ziel: wenn etwa wirtschaftlicher Fortschritt die Kräfte der Freiheit von selbst entfesselt. Das bleibt, trotz allem, auch die Hoffnung, die wir mit Chinas Aufschwung verbinden.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2011)