Designtrend

Wabi-Sabi plus Hygge: der "Japandi"-Stil

Wenn nordische Designkultur und japanische Gestaltungstradition überblenden - dann nennt sich das im Trend-Sprech: Japandi

Japan traut man ja so einiges zu. Vor allem im grellen, lauten und schrillen Spektrum der Gestaltung, wo also die rastlose Welt der Moderne mit dem gelassenen Kulturerbe ringt. Die gestalterischen Traditionen jedenfalls bemühen sich weniger um die Extreme. Lieber um den Ausgleich, die Balance. Das umfasst jene mit sich selbst wie auch jene mit der Welt, die einen umgibt. Und dieses Verhältnis, vor allem auch zur Natur, zeichnen Architektur und Design in sanft abgedämpften formalen und farblichen Zwischentönen und Nuancen. Die japanische Gestaltung legt eine Gelassenheit und Ruhe auf die Dinge und Entwürfe, als könnte ihnen die moderne Welt und ihr rauschender Wandel schon gar nichts anhaben. Dabei entstehen manchmal Interieurs und Möbel, die so selbstverständlich scheinen, als hätte die innere Ordnung der Dinge ohnehin nichts anderes zugelassen. Als wäre jede einzelne der wenigen Linien nur dafür da , auf ein tieferes Ganzes zu verweisen. Schon die Haikus, die japanischen Kurzgedichte, beweisen, dass große Gefühle und universelle Stimmungen kein großes Vokabular brauchen, um sie zu erzeugen. Auch das Design pflegt die Bescheidenheit, nicht nur in Form und Material.

Verbindungen

Und hier liegt Skandinavien. Auch nicht ganz frei von Klischees zwischen Walhalla und Rentierfell. Doch auch hier sind Reduktion und zeitlose Selbstverständlichkeit ein Merkmal, um das sich das Design nicht extra bemühen muss. Wie von selbst scheint es sich zu integrieren. Genauso wie die Nähe zur Natur, ihren Formen, Farben, Motiven. Und natürlich vor allem: Materialien. Im nordischen Design ist Minimalismus die Tugend, geboren aus der Zwangslage, der Knappheit der Ressourcen. Umso intensiver setzt sich auch das Handwerk mit Details auseinander. Und jetzt? Begegnen sich zwei Gestaltungskulturen, die so ähnlich sind, als wären sie ohnehin miteinander verwandt. Allein in den Möbelkollektionen der großen internationalen Designbrands, das können auch gern italienische sein, überblenden sie sich.

Genauso wie in einzelnen Kooperationen, bei denen etwa skandinavische Designer und Gestalterinnen die Kunstfertigkeit des japanischen Handwerks herausfordern. Bei all dem Überblenden und Überlagern entstand ein Bild, das Interieurdesigner und Wohnmagazine inzwischen wie selbstverständlich quer über den Planeten replizieren. So konsequent, dass es gar schon zum „Style“-Phänomen geraten ist, das natürlich dadurch umso schneller einen Namen brauchte: „Japandi“. Es ist die ästhetische Klammer, die das Selbstverständnis des nordischen Designs und die japanischen Gestaltungstraditionen quer über den Erdball verbindet und zusammenhält. Was macht sie so ähnlich, die Designkulturen aus zwei gänzlich getrennten Weltgegenden? Das fragt sich etwa auch der Band „Japandi Style“, der bei Merrell Publishers in London erschienen ist, gleich zu Beginn. Die Einfachheit? Ja, mit Sicherheit. Die Funktionalität. Ja, die wohl auch. Aber wollen das nicht alle Dinge, die um den Platz in den Wohnungen der Menschen pitchen? Aber vielleicht ist im „Japandi“-Kosmos dann doch ein Merkmal konsequenter eingerastet: das „Menschliche“. Schon Designgroßmeister Alvar Aalto hat den Funktionalismus in menschlicher Ausformung propagiert.

Das passt doch in eine Zeit, in der sich inzwischen schon wieder der „Maximalismus“ fröhlich austobt, als könnte die Welt nicht schön genug zugrunde gehen. „Japandi“ geht den stilistischen Weg in die andere Richtung: hin zum Wesentlichen, hin zu Formen und Farben, die es gar nicht erst darauf an­­legen, auszuscheren aus der Kontinuität des „Zeitlosen“. Auch durch intuitive Zugänglichkeit, in der Dinge keinen Begleittext brauchen. Und noch weniger „Storytelling“, das ihnen das Marketing verordnet hat. Da entstehen Möbel und Interieurs, mit denen man sich nicht erst anfreunden muss, weil die Vertrautheit vom ersten Moment an scheinbar besteht. 

Buchtipp

Das Buch „Japandi Style“ aus dem englischen Verlag Merrell Publishers fächert den Gestaltungstrend bildlich und textlich auf. 

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