Gastkommentar

Die Veränderungen, die die Weltbank braucht

(c) Peter Kufner
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Umbau. Nach dem Rücktritt von David Malpass und mit dem möglichen neuen Chef Ajay Banga steckt die Weltbank in einer Umgestaltungsphase.

Die Autorin

Ana de Palacio
(* 1948 in Madrid) studierte Rechts- und Politikwissenschaften sowie Soziologie. Ab 1994 Abgeordnete im Europäischen Parlament. Von 2002 bis 2004 spanische Außenministerin, später Vizepräsidentin der Weltbank. Derzeit Mitglied des spanischen Staatsrates und Gastdozentin an der Georgetown University.

Bei der Weltbank stehen wichtige Veränderungen an, doch kaum jemand scheint dem Beachtung zu schenken. Über die Konzeption einer neuen, grüneren Mission hinaus durchläuft die Bank derzeit einen Führungswechsel mit wichtigen Auswirkungen auf ihre Beziehung zum Globalen Süden und die langfristige Relevanz der Organisation.

Als Weltbank-Präsident David Malpass im vergangenen Monat seinen Rücktritt erklärte, hatten sich die Spannungen bezüglich der Haltung der Bank zum Klimawandel bereits monatelang aufgebaut. Der noch von der Trump-Regierung für den Posten ausgewählte Malpass sah sich nach Amtsantritt von Präsident Joe Biden beträchtlichem Druck ausgesetzt, und das US-Finanzministerium machte seine Unzufriedenheit über das Versäumnis der Bank deutlich, in Klimafragen echte Führung an den Tag zu legen.

Die Kritik an Malpass eskalierte im September, nachdem er sich geweigert hatte, den Beitrag menschlicher Treibhausgasemissionen zum Klimawandel anzuerkennen. Als er es dann doch tat, trug dieser Rückzieher nicht dazu bei, Vorwürfe zu entkräften, dass die Weltbank unter seiner Leitung nicht annähernd genug tue, um ihre Kreditvergabe mit den weltweiten Zielen zur Emissionssenkung in Einklang zu bringen.

Einen Monat später legte eine Gruppe von zehn wichtigen Volkswirtschaften – die G7 plus Australien, die Niederlande und die Schweiz – einen Vorschlag für eine „grundlegende Reform“ der Bank vor, der zu größerem Fortschritt an dieser Front führen würde. Der Klimaplan der Bank bleibt laut vielen westlichen Ländern zu unambitioniert.

Malpass' Rücktritt war also vermutlich eine Erleichterung, und das nicht zuletzt für die USA. US-Finanzministerin Janet Yellen bestätigte fast umgehend das Bekenntnis der USA, die Weltbank zu einem Motor der ökologischen Wende zu machen. Wenig später nominierte Biden Ajay Banga – den in Indien geborenen ehemaligen Executive Chairman von Mastercard, unter dessen Leitung sich das Unternehmen zur globalen Zahlungsplattform entwickelte – als Nachfolger Malpass'.

Banga war keine offensichtliche Wahl. Das Exekutivdirektorium der Weltbank hatte sich für die Nominierung einer Frau ausgesprochen, und es gab mehrere solide potenzielle Kandidatinnen mit umfassender Erfahrung im Entwicklungsbereich, darunter die ehemalige USAID-Administratorin Gayle Smith und die derzeitige Leiterin der Behörde, Samantha Power. In der Welt multilateraler Entwicklungsorganisationen ist Banga ein Außenseiter.

Doch die Auswahl Bangas könnte sich als gewiefter Schritt Bidens erweisen. Zwar würde seine Bestätigung im Amt die langjährige Tradition aufrechterhalten, dass die USA als Mitglied mit dem größten Kapitalanteil und größter Geldgeber der Internationalen Entwicklungsorganisation den Präsidenten stellen. Diese Gewohnheit hat, mit dem stillschweigenden Einverständnis, dass ein Europäer den Internationalen Währungsfonds leiten soll, zu Recht Unzufriedenheit im Globalen Süden hervorgerufen, dessen Länder eine stärker repräsentative multilaterale Leitung fordern.

Zugeständnis an den Süden

Bangas Nominierung stellt ein Zugeständnis an Indien und den Globalen Süden dar. Die Frage ist, ob sich das in einer effektiveren Führung in Bezug auf Entwicklungsfragen und die diesen gefährdenden Klimatrends niederschlagen wird.

Die Weltbank wurde ursprünglich als Instrument für den Wiederaufbau konzipiert. Später rückte die Entwicklung in den primären Fokus der Bank. (. . .) Die Sowjetunion, obwohl Unterzeichnerin des Abkommens von Bretton Woods, trat der Weltbank nie bei, was nicht zuletzt daran lag, dass sie die Bank als Plattform zur Förderung der westlichen Philosophie des freien Marktes betrachtete.

Was wäre erforderlich, um heute den Wohlstand in den Entwicklungsländern wirksam zu unterstützen? Zunächst einmal müssen die streitigen Debatten über die mögliche Ausweitung der Agenda der Weltbank gelöst werden. Das schließt die Frage ein, wie der Klimaschutz dort hineinpasst. Zugleich wird die Bank ihre internen Meinungsverschiedenheiten über Schuldenerlasse und Sanierungsmaßnahmen für Krisenländer überwinden müssen. (Gegenwärtig werden die Diskussionen faktisch durch chinesische Forderungen gelähmt, wonach die Bank Wertberichtigungen auf Kredite akzeptieren müsse.)

Während diese Diskussionen fortschreiten – oder stagnieren –, eskalieren die sie befeuernden Krisen weiter. Die Weltbank muss ausreichende Mittel mobilisieren, um Ländern zu helfen, den perfekten Sturm aus Klima-, Energie-, Ernährungs- und Schuldenkrisen zu bewältigen. Nur ein Weltbank-Präsident mit technischem und politischem Geschick kann hoffen, hier Erfolg zu haben.

Es wurden überzeugende Argumente für eine deutlich größere Weltbank vorgebracht. Doch selbst ohne derartige institutionelle Umgestaltung bedarf es dringend einer drastischen Steigerung der Kreditvergabe. Obwohl sich das Engagement der Bank seit 2019 auf inzwischen 115 Milliarden Dollar fast verdoppelt hat, hinkt die Kreditvergabe seit 2017 dem globalen Wirtschaftswachstum hinterher. Eine Reform der Kreditrichtlinien ist besonders wichtig, damit die Bank wieder Einfluss in Ländern mittleren Einkommens gewinnt, die sich zur Finanzierung ihrer Entwicklungsbedürfnisse seit Langem anderswohin orientieren.

Reicht einfach mehr Geld?

Doch ist mehr Geld nur der Anfang. Die Weltbank muss den Entwicklungsländern zudem viel besser zuhören. Die Bridgetown-Initiative der Premierministerin von Barbados, Mia Amor Mottley, die neue Bedingungen für Entwicklungskredite empfiehlt und mehr Geld zur Anpassung an den Klimawandel, zum Klimaschutz und zum Wiederaufbau nach Katastrophen fordert, ist ein Vorschlag, den zu erwägen sich lohnt.

Falls die Weltbank es versäumt, den Ideen und Forderungen der Entwicklungsländer zuzuhören, wird der Westen diese verlieren – was Folgen haben würde, die weit über die Bank hinausreichen. Und der Wiederaufbau der Beziehungen zu entfremdeten Verbündeten ist sowohl schwierig als auch teuer.

Banga ist nun auf einer „globalen Zuhör-Tour“. Als Präsident wird er Wege finden müssen, um die Forderungen eines Globalen Südens zu erfüllen, der Veränderungen will; sonst riskiert er, die langfristige Lebensfähigkeit der Weltbank zu untergraben und die Fähigkeit des Westens, andere Länder hinter sich zu sammeln, zu gefährden.

Sein Außenseiterstatus mag ihm bei seinen Versuchen, die Organisation zu verändern und ihr traditionelles Mandat mit einer Agenda für das 21. Jahrhundert zu verbinden, nützlich sein. Doch die „Außenseiter“, die bei Entscheidungen der Weltbank wirklich mit an Bord geholt werden müssen, sind die Länder, die man allzu lang draußen gehalten hat.

Aus dem Englischen von Jan Doolan, Copyright: Project Syndicate, 2023. www.project-syndicate.org

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2023)

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