Die Visite des israelischen Premiers in Deutschland wird von Demonstrationen gegen die Justizreform überschattet. Ein Ergebnis des Besuchs: Israel liefert sein Luftverteidigungssystem Arrow 3.
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu der Opfer des Holocaust gedacht. Die beiden Regierungschefs besuchten am Donnerstag das Mahnmal Gleis 17 am Bahnhof Grunewald in Berlin, von wo aus 1941 und 1942 etwa 10.000 Juden mit Zügen der Reichsbahn in Arbeits-, Konzentrations- und Vernichtungslager der Nazis gebracht wurden. Der Besuch wird überschattet von einem erbitterten Streit um Israels Justizreform.
Deutschland und Israel haben in des einen Weg zum Verkauf des Luftverteidigungssystems Arrow 3 an Deutschland vereinbart. Er habe mit dem deutschen Kanzler Olaf Scholz über das Projekt gesprochen, sagte Netanjahu am Donnerstag nach einem Gespräch in Berlin. Details nannte er nicht. Scholz betonte, dass man Arrow 3 als Teil des geplanten europäischen Luftschutzabwehrsystems wolle.
Die deutsche Regierung wolle die militärische Zusammenarbeit mit Israel ausbauen, betonte der Kanzler. Die Arrow-3-Raketen sind so konzipiert, dass sie über die Erdatmosphäre hinaus fliegen können, wo sich ihre Sprengköpfe abtrennen, die dann ihre Ziele verfolgen und abschießen. Solche Höhenabschüsse sollen ankommende atomare, biologische oder chemische Raketen sicher zerstören.
Proteste in Berlin und Israel
In Berlin wird am Donnerstag mit Protesten gerechnet. In Israel selbst gab es im Vorfeld des Besuchs ebenfalls Proteste wegen der geplanten Justizreform. Tausende Menschen demonstrierten etwa in der Küstenstadt Tel Aviv. Teilweise kam es dabei zu Handgreiflichkeiten mit der Polizei. Die Demonstranten blockierten die zentrale Verbindungsstraße nach Jerusalem. Es gab zudem mehrere Vorfälle mit Attacken von Passanten oder Autofahrern auf Demonstranten.
Bereits in der Nacht hatten Künstler in Jerusalem eine dicke rote Linie auf der Straße gezeichnet, die zum Höchsten Gericht führt. Diese sollte die Verbindung zwischen einer unabhängigen Justiz und der Meinungsfreiheit symbolisieren. Fünf Künstler wurden nach Polizeiangaben festgenommen.
Reservisten der israelischen Marine blockierten unterdessen den Hafen der Küstenstadt Haifa mit Booten. "Die Marine wird nicht in eine Diktatur segeln", hieß es auf großen Bannern entlang der Boote. In der strengreligiösen Stadt Bnei Brak eröffneten andere Reservisten eine "Musterungsstelle". Sie seien gekommen, "um die Last der Wehrpflicht an die ultra-orthodoxe Bevölkerung zu übergeben", teilten sie nach Medienberichten mit. Ohne Demokratie werde es keine Volksarmee geben. Viele junge strengreligiöse Männer in Israel sind nicht bereit, in der Armee zu dienen. Dies sorgt in anderen Bevölkerungsteilen für großen Zorn.
Anschließend an den Gedenkstätten-Besuch sind ein gemeinsames Mittagessen mit Scholz und eine Pressekonferenz im Kanzleramt geplant. Später wird Netanjahu noch Deutschlands Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue treffen. Mehr als 3000 Polizisten werden Netanjahus Besuch in Berlin absichern, der von mehreren Demonstrationen begleitet wird.
Demonstranten auch vor der deutschen Botschaft in Tel Aviv
Auch vor der deutschen Botschaft in Tel Aviv versammelten sich Demonstranten. Netanjahus rechts-religiöse Regierung will die kontroverse Reform bis Ende des Monats im Schnellverfahren durchsetzen und damit gezielt die unabhängige Justiz schwächen. Kritiker sehen dadurch die Gewaltenteilung als Pfeiler der Demokratie in Gefahr. Mit Spannung wird erwartet, wie Scholz beim Treffen mit Netanjahu mit dem Thema umgehen wird.
Der israelische Staatspräsident Yitzhak Herzog hatte am Mittwochabend einen Kompromiss im Streit um die Justizreform vorgeschlagen. Während die Opposition Gesprächsbereitschaft signalisierte, wies Netanjahu den Vorschlag noch vor seiner Abreise nach Berlin zurück.
In den Gesprächen Netanjahus soll es um die bilaterale Zusammenarbeit sowie internationale und regionale Sicherheitsfragen gehen. Netanjahu hatte zuletzt Rom besucht und plant auch eine Reise nach London. Nach israelischen Angaben bemüht er sich um eine entschlossene gemeinsame Haltung gegen das iranische Atomprogramm.
(APA/dpa)