Literatur

Wenn vom einzigen Kind jede Spur fehlt

Anita Augustin, geboren 1970 in Klagenfurt.
Anita Augustin, geboren 1970 in Klagenfurt.Minitta Kandlbauer
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Eine alleinerziehende Mutter kommt von der Arbeit nach Hause. Die zwölfjährige Tochter ist verschwunden. Anita Augustin schreibt in ihrem Roman „Wie ähnlich ist uns der Zackenbarsch, dieses äußerst hässliche Tier“ darüber, wie jede Lebensentscheidung mit diesem Trauma zusammenhängt.

Dieses Buch sticht heraus. Allein schon mit seinem Titel und mit seiner Aufmachung, die – mit dem Fisch auf dem Cover und dem bunten Schuppenmuster im Schnitt – selbst wie ein Zackenbarsch ist. So blättert man in dieses Buch fast wie in den Barsch hinein, und bereits der erste Absatz fackelt nicht lange: „Wie es aussieht, habe ich meinen Humor verloren. Wie es aussieht, muss ich mir einen neuen Humor suchen, weil mein alter unauffindbar ist, sehr schade, es war ein guter Humor, das können Sie mir glauben, und wenn Ihnen zufällig ein herrenloser Humor über den Weg läuft, der nach seinem Frauchen sucht, dann rufen Sie mich bitte an, hier meine Nummer: 0815. War das jetzt schon witzig? Schon so mit neuem Humor?“

Nur leider: Der Humor kommt nicht zurück, bitterer Sarkasmus bleibt. Kein Wunder, denn die Erzählerin, die hier spricht, steht unter dem Eindruck eines Traumas: Sie vermisst ihr zwölfjähriges Kind. Am 1. August vor einem Jahr war das Mädchen Elli plötzlich nicht mehr da, als die alleinerziehende Mutter nach der Arbeit nach Hause kam. Spurlos verschwunden. Auch Elias Eder, der gleichaltrige Blondschopf aus der Nachbarschaft, der sich kurz zuvor noch bei ihnen zu Hause ganz förmlich als Ellis neuer Freund und Begleiter vorgestellt hatte, weiß nichts über ihren Verbleib. Schlimmer noch: An dem Burschen stimmt auch die Adresse nicht, die er der Mutter genannt hat. Cornelia Karl wittert den Betrug erst, als sie vor dem Haus steht: Baumbachplatz 1, da findet sich keine Spur von einer Familie Eder. Die Geschichte nimmt ihren Lauf: Abgängigkeitsanzeige bei der Polizei, erste Beschwichtigungen, langsame Gewissheiten, statistische Daten: 50 Prozent der als vermisst gemeldeten Minderjährigen tauchen innerhalb einer Woche wieder auf, 80 Prozent innerhalb eines Monats, nur drei Prozent bleiben länger als ein Jahr verschwunden, manche für immer.

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