Die TV-Serie „Fünf Freunde“ (1978): Anne (Jennifer Thanisch), Georgina (Michelle Gallagher), Richard (Gary Russell) und Julian (Marcus Harris), hier ohne Hund Timmy.
Premium
Spectrum

Cancel Culture: Trotz aller Vorwürfe, die man ihr machen kann, ist Enid Blyton der Grund, warum ich Schriftstellerin bin

War die britische Autorin Enid Blyton, die Klassiker für Kinder wie die „Fünf Freunde“-Reihe schrieb, rassistisch? Wer das nicht weiß, hat noch nie ein Buch von ihr in der Hand gehabt. Warum sind wir trotzdem so unerschütterlich #TeamBlyton?

Ich las, als hinge mein Leben davon ab, Enid Blyton und damit Bücher, in denen Menschen, die aussahen wie ich, gefährliche oder lächerliche Ausländer waren und auch ansonsten allen orientalistischen Klischees entsprachen – und es war nicht so, dass ich das damals nicht bemerkte. Trotzdem liebte ich Enid Blyton mehr als jede:n andere:n Kinderbuchautor:in und, wenn ich meiner Mutter Glauben schenken kann, mehr als meine Eltern. Enid Blyton ist der Grund, warum ich Schriftstellerin bin: um so gut zu schreiben wie sie.

Aber lasst uns erst einmal in den heißen Sommer 2021 zurückspringen: Zu dem Entschluss der Wohltätigkeitsorganisation English Heritage, die das britische Kulturerbe – von Stonehenge bis Shakespeare – verwaltet, ihre blauen Gedenkplaketten zu aktualisieren. So auch Blytons Plakette an der 207 Hook Road in Chessington, wo die Schriftstellerin von 1920 bis 1924 lebte. Genauer gesagt, nicht die Plakette, sondern nur die Online-Informationen dazu, die nach der Änderung den zusätzlichen Satz enthielten: „Blytons Arbeit wurde bereits zu ihren Lebzeiten Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und fehlende literarische Qualität vorgeworfen.“

Sofort ging die Schlagzeile um die Welt: War Enid Blyton rassistisch? Was für eine Frage? Wer das nicht weiß, hat noch nie ein Buch von ihr in der Hand gehabt. Können wir jetzt wieder zur Tagesordnung übergehen? Konnten wir natürlich nicht.

Schließlich sind die Bücher, die wir als Kinder geliebt haben, nicht (nur) Literatur, sondern ein Teil von uns. „Das war's jetzt mit meiner Kindheit – und mit der von Millionen von weiteren Lesern, deren Phantasie durch ihre Bücher entfacht wurde –, oder was?“, klagte die Regisseurin Pooja Bhatt. Und ich begann mich zu fragen, ob es ein Zufall sein konnte, dass vor allem Inder:innen und Menschen aus der indischen Diaspora der überaus englischen Enid (oder britischen Blyton?) zur Seite sprangen.

Nach dem Krieg schrieb Blyton Bücher über braune Prinzen, die von skrupellosen Revolutionären entführt wurden, um ihre britannientreuen Onkel zum Abdanken zu zwingen. Und diese Andeutungen wurden in Indien, das gerade seine Unabhängigkeit erkämpft hatte, nur zu deutlich verstanden. Warum sind wir trotzdem so unerschütterlich #TeamBlyton?


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.