Der ökonomische Blick

Macht das Bestellerprinzip den Wohnungsmarkt gerechter?

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Nach dem Bestellerprinzip muss nur derjenige, der einen Makler beauftragt, für dessen Dienste bezahlen. Warum hat diese Reform so viel Aufmerksamkeit erregt?

Anfang dieses Monats wurde im Nationalrat das „Bestellerprinzip“ auf dem Mietmarkt beschlossen. Nach diesem Prinzip muss nur derjenige, der einen Makler beauftragt, für dessen Dienste bezahlen. Auch wenn die Einzelheiten der Reform noch nicht bekannt sind, ist es wichtig zu verstehen, wie sich diese Änderung auf den Markt auswirken kann.

Einer der bekanntesten Einsichten der Ökonomie besagt, dass die gesetzliche Inzidenz einer Steuer oder Gebühr (d. h. die Frage, wer die Zahlung leistet) nicht deren wirtschaftliche Inzidenz (d. h. die Frage, wie viel jede Partei durch die Abschaffung der Steuer gewinnt) bestimmt.

Jede Woche gestaltet die „Nationalökonomische Gesellschaft" (NOeG) in Kooperation mit der "Presse" einen Blog-Beitrag zu einem aktuellen ökonomischen Thema. Die NOeG ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung der Wirtschaftswissenschaften. Dieser Beitrag ist auch Teil des Defacto Blogs der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an der Central European University (CEU). Die CEU ist seit 2019 in Wien ansässig.

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So bleiben zum Beispiel die tatsächlichen Kosten für den Erwerb einer Wohnung gleich hoch, unabhängig davon, ob der Käufer oder der Verkäufer die Gebühr für die Eintragung in das Grundbuch bezahlen muss: Wird eine Wohnung um 100.000 Euro verkauft, muss in Österreich der Käufer die Grundbucheintragungsgebühr von 1,1 Prozent, also 1100 Euro bezahlen. Müsste der Verkäufer die Grundbuchseintragungsgebühr zahlen, würde sich der Kaufpreis einfach entsprechend auf 101.100 Euro erhöhen. Die gesamten Kosten der Wohnung für den Käufer wären also dieselben, und der Verkäufer bekäme nach Abzug der Gebühren auch wieder 100.000 Euro.

Diese sogenannte „Steueräquivalenz“ muss jedoch nicht in allen Märkten gelten: Zum Beispiel, wenn eine Steuer oder Gebühr nicht transparent ist und die effektiven Kosten für eine Partei damit versteckt sind, wie der amerikanische Forscher Raj Chetty in einem Experiment gezeigt hat: Konsumenten kaufen weniger, wenn Preise inklusive Steuern ausgewiesen sind. In Österreich müssen daher immer die Bruttopreise, also die Preise einschließlich aller Steuern und Abgaben, angegeben werden.

Warum hat diese Reform so viel Aufmerksamkeit erregt?

Auf dem Mietwohnungsmarkt sind Gebühren hingegen weitgehend transparent. Man würde erwarten, dass die Mieten sich entsprechend nach oben anpassen und das Marktergebnis effektiv das gleiche bleibt. Es stellt sich daher die Frage: Warum hat diese Reform so viel Aufmerksamkeit erregt?

Es handelt sich um eine Besonderheit des Marktes für Mietwohnungen, die dazu führt, dass die vielbesungene Steueräquivalenz hier nicht gelten muss. Der Vermieter weiß zum Zeitpunkt der Vermietung nicht, wieviel er als „Besteller“ des Maklers an dem vermittelten Mietvertrag verdienen wird: Der Mieter hat das Recht, vorzeitig zu kündigen: in Österreich in den meisten Fällen nach einem Jahr mit dreimonatiger Kündigungsfrist. Da der Mieter vermutlich besser über seine Zukunftspläne Bescheid weiß als der Vermieter, führt dies zu einem Informationsproblem der sogenannten „adversen Selektion“: In so einer Situation dient die Maklergebühr als eine Art "Auslese-Instrument": Nur jene Mieter, die vorhaben, länger in der Wohnung zu bleiben, sind bereit, die Maklergebühren für der Vermittlung des Mietvertrags zu zahlen. Das heißt, die Maklergebühr erfüllt einen Zweck als Auslese-Instrument, auch wenn die Dienstleistung des Maklers möglicherweise keinen an sich Wert schafft.

Werden die Mieten künftig teurer?

Womit müssen wir rechnen, wenn wir zum Bestellerprinzip übergehen, was in den meisten Fällen bedeutet, dass die Vermieter anstelle der Mieter die Maklergebühren zu entrichten haben? Erstens werden die Mieten steigen, auch wenn es schwer zu sagen ist, um wie viel. Zweitens werden die Verträge vermehrt Klauseln enthalten, die es für Mieter schwieriger machen, vorzeitig auszuziehen (wie es derzeit bei einigen unbefristeten Verträgen üblich ist). Da hier der rechtliche Rahmen für Vermieter eingeschränkt ist, können zum Beispiel Verträge angeboten werden, wo der Mieter einen Bonus bekommt, wenn er die ganze Vertragsdauer erfüllt: Das heißt, dass Mieter, die kürzer in der Wohnung bleiben, eine effektiv höhere Monatsmiete bezahlen. Drittens werden viel mehr Wohnungen ohne die Dienste eines Maklers vermietet, da diese nicht mehr als Auslese-Instrument dienen. Schließlich kann es auch dazukommen, dass eine Vermieterin, die zwischen zwei Mietern wählen kann, jenen auswählt, von dem sie eher glaubt, dass er nicht vorzeitig kündigt.

Das kann zur Diskriminierung gerade jener Gruppen führen, die als mobiler betrachtet werden: junge Menschen und Migranten. Ob das Bestellerprinzip also tatsächlich mit einer "jahrzehntelangen Ungerechtigkeit“ aufräumt, wie die Justizministerin im Parlament behauptete, wird sich folglich erst weisen.

Die Autoren

Daniel Garcia ist assoziierter Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien und Mitglied des CESifo Research Networks in München.

Philipp Schmidt-Dengler ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Wien und Research Fellow am Centre for Economic Policy Research in London.

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