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Interview

Peter Fabjan: „Thomas Bernhard hat mich mehrfach umgebracht“

Peter Fabjan ist Thomas Bernhards jüngerer Halbbruder und dessen Nachlassverwalter.
Peter Fabjan ist Thomas Bernhards jüngerer Halbbruder und dessen Nachlassverwalter.Maximilian Mann / laif / picture
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Thomas Bernhard war ein Meister des Provozierens – in seinen literarischen Werken wie im persönlichen Umgang. Sein Halbbruder, Peter Fabjan, erzählt, wie ihn der Schriftsteller fast ins Burn-out getrieben hat und warum er trotzdem bis zu Bernhards letztem Atemzug bei ihm geblieben ist. Er erinnert sich daran, wie schwer diesem Nähe fiel, und verrät, was er selbst bereut.

Haben Sie Ihr Buch „Ein Leben an der Seite von Thomas Bernhard“ geschrieben, weil Ihnen die ständigen Fragen zu Ihrem Halbbruder lästig wurden?

Peter Fabjan: Er prägt noch immer meinen Alltag. Ich komme sehr oft in seine Wohnung, meine liegt ja gegenüber. Er hatte beide gekauft. Er ahnte wohl, dass er jemanden brauchen würde, der auf ihn schaut. Ich war ja nicht nur sein Bruder, ich war auch sein Hausarzt. Nach Thomas' Tod habe ich mich vom damaligen Cheflektor des Suhrkamp-Verlags überreden lassen, meine Erinnerungen aufzuschreiben. Thomas hat einmal zu mir gesagt, er wolle nicht, dass unsere Schwester Susi (Susanna Kuhn, Anm.) oder ich später nach ihm gefragt würden und erzählen. Daher schreibe er seine Autobiografie. Gefragt werde ich trotz seiner fünf Bände.

Und was antworten Sie?

Dass Thomas kein einfacher Mensch war – weder für sich selbst noch für andere. Er selbst nannte sich einen Störenfried. Im Umrühren in seiner Umwelt und dem Infragestellen von vielem sah er seine Lebensaufgabe. Ich habe mir mit seiner sehr fordernden und kritisierenden Art oft schwergetan – oft wurde ich von ihm zu Unrecht attackiert, auch in Gesellschaft. Einmal habe ich meine Praxis fünf Wochen lang zugesperrt, weil ich es nicht mehr ausgehalten habe.

Warum war er Ihnen gegenüber so ruppig?

Der Thomas war in der Familie immer der Außenseiter und hat darunter gelitten, dass er seinen Vater nie kennengelernt hat. Er war ungewollt in einer flüchtigen Beziehung unserer Mutter mit dem Zimmermann Alois Zuckerstätter entstanden. Die Mutter, Herta Bernhard, ist, als sie wusste, dass sie schwanger ist, nach Holland gegangen. Dort hat sie den Buben dann zu Freunden und Bekannten gegeben, um arbeiten gehen zu können – ihr Vater, der erfolglose Schriftsteller in Wien, hat ja monatlich Geld von ihr erwartet. Schließlich landete der kleine Thomas, wie er in der „Ursache“ schreibt, auf einem Fischkutter. Nach einem halben Jahr hat die Mutter ihn zu ihren Eltern gebracht, die ihn sofort sehr lieb hatten.

Und er die Großeltern umgekehrt?

Anders als seinen Stiefvater, der noch 1938 zur Wehrmacht eingezogen worden war und die Kriegsjahre nur kurz auf Fronturlaub da gewesen ist, hat er den Großvater geliebt. Der war ihm ein Vaterersatz. Mich hat immer traurig gemacht, dass er unseren Vater oft attackiert hat. Er meinte, er habe ihn als jungen Burschen im Stich gelassen.

Stimmte das denn nicht?


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