Liberal betrachtet

Die antiliberalen Zwischentöne des Karl Nehammer

Der Kanzler hat sich mit einigen Aussagen in seiner Zukunftsrede auf einen sozialistischen Steuerwettbewerb eingelassen. Der Ausbau der Gratisgesellschaft in budgetär angespannten Zeiten erscheint bedenklich.

Zur Person

Dr. Georg Vetter (*1962) ist Anwalt und Präsident des Clubs Unabhängiger Liberaler. Er war Mitglied des Teams Stronach, wechselte 2015 in den Parlamentsklub der ÖVP und schied 2017 endgültig aus dem Nationalrat aus.

Dass Wirtschaftsliberale in Ohnmacht fallen, nimmt Karl Nehammer bei seinen Aussagen in Kauf. Dies wissen wir seit seinem Interview rund um das Thema Besteuerung von Unternehmensgewinnen. Bei seiner jüngsten, durchaus soliden Zukunftsrede musste man als Liberaler zwar nicht in Ohnmacht fallen, aber doch einige Male zusammenzucken.

Dass Nehammer Nordamerika als negatives Beispiel für eine „neoliberale Deregulierung“ anführte, mag eher klischeehaften Vorstellungen über ein fernes Land als einer durchdachten Ablehnung von Privateigentum, Vertragsfreiheit und Freihandel geschuldet sein. Joe Biden steht kaum für das, was Nehammer gemeint hat. Zusammenzucken musste man, als sich Nehammer auf einen sozialistisch-umverteilenden Steuerwettbewerb einließ und den Ausbau der Gratisgesellschaft forderte. Offenbar zur Demonstration sozialer Wärme stellte er Forderungen in den Raum, die eher von der linken Seite erwartbar sind, die das Geld für abgeschafft und Budgetdefizite für fiktive Zahlen hält.

Da war zunächst die Forderung nach Entfall der Grunderwerbsteuer beim Erwerb des ersten Eigenheims, mit der der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung durchbrochen werden soll. Hätte der Staat überschießende Einnahmen, könnte man über die generelle Reduzierung oder den Entfall der Grunderwerbsteuer reden. In Zeiten, in denen wir einen weit überdurchschnittlichen Verschuldensgrad von 80 Prozent ansteuern, ist das klientelgetriebene, gleichheitswidrige Senken allgemein akzeptierter Steuern verantwortungslos. Da der Finanzierungsbedarf des Staates nicht sinkt, wird die Steuerlast progressiv weiter nach oben sowie auf nachfolgende Generationen verschoben, ohne dass stimulierende Effekte generiert werden. In Zeiten hoher Inflation und steigender Zinsen auf eine höhere Verschuldung zu setzen ist alles andere als zukunftsorientiert. Das erzeugt den Eindruck, dass man in der größeren Regierungspartei die Budgetsituation nicht wirklich ernst zu nehmen scheint.

Ähnlich sieht es mit Nehammers Forderung nach der kostenlosen Meisterprüfung aus, die er mit einer Gerechtigkeitslücke gegenüber dem Gratisstudium begründet. Lange Zeit hat sich die ÖVP politisch für moderate Studiengebühren eingesetzt und mit guten Argumenten begründet. Nunmehr wird diese Forderung nicht nur zu Grabe getragen, sondern die Gratisausbildung in budgetär angespannten Zeiten auch noch für ausbaufähig erklärt. Einem negativen Effekt des Gratisstudiums will Nehammer übrigens mit einer ganz besonderen etatistischen Maßnahme zu Leibe rücken: Er will – zunächst im Bereich der Medizin – eine Arbeitspflicht für Ärzte nach dem Studium einführen.

Etatistisch wirkt schließlich auch Nehammers Idee der Reanimation der Wohnbauförderung. Der beste Weg zur Eigentumsförderung führt nicht über staatliche Umverteilung, sondern über eigenverantwortliche Bürger, denen genug Geld verbleibt, um Vermögen aufzubauen. Insofern hätte man sich nach seiner Ankündigung, die Staatsquote von 42 auf 40 Prozent zu senken, konsistente Ansagen erwartet.

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