"World Hapiness Report"

Wieso sollten Finnen die glücklichsten Menschen sein?

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Was aus dem Weltglücksbericht herauszulesen ist – und was nicht.

In Finnland wird es im Winter nie richtig hell. Das bereitet dort vielen Kummer, den nicht wenige im Schnaps ertränken. Bei Depressionen, Alkoholismus und Suizidraten liegt das Land verlässlich im EU-Spitzenfeld. Und trotzdem, hören wir mit Staunen, leben dort die glücklichsten Menschen weltweit, schon seit sechs Jahren – nachzulesen im „World Happiness Report 2023“, der am Montag erschienen ist. Österreich kommt auf Platz elf, wie im Vorjahr. Am Ende des Rankings mit 137 Staaten liegen Afghanistan und der Libanon. Werden wir daraus klug?

Es springt in die Augen: Die „glücklichsten“ Länder sind auch die reichsten. Ein Ranking nach dem rein ökonomischen Wohlstandsindikator BIP sähe nur wenig anders aus. Zu ergänzen wären: nicht allzu große Einkommensunterschiede und eine gute soziale Absicherung (wohl mit ein Grund, weshalb die USA mit Platz 15 erst hinter zehn europäischen Ländern liegen). Aber davon abgesehen bringt es offenbar wenig, auf andere, breitere Indikatoren für Wohlstand zu drängen. Denn ein höheres Ziel als das Glück ihrer Bürger braucht sich keine Regierung zu setzen. In reichen Staaten lebt man im Schnitt gesünder und ist weniger korrupt – laut Bericht „Schlüsselfaktoren“ fürs Glücksempfinden. Ein weiterer ist Freiheit, und hier läuft die Kausalität wohl andersrum: Nur dort, wo Menschen ihre Fähigkeiten frei entfalten können, entsteht Wohlstand.

Die Grenzen der Statistik

Eine andere Frage ist, ob mit diesem objektivierten, handfesten Glück als Zielgröße für Politiker das Thema bereits erschöpft ist. Woran denken die Menschen, wenn sie bei einer solchen Umfrage mitmachen? An die ganz persönliche Seelennot, an ihre ganz intimen Liebesfreuden? Wen da draußen sollte das interessieren! Wir dürfen vermuten, dass viele mit ihrer Antwort etwas anderes signalisieren wollen: Ich bin zufrieden oder unzufrieden mit den Möglichkeiten, die mir dieser Staat und diese Gesellschaft zur Verwirklichung meines Lebensglücks bieten.

Geld und Wohlstand machen nicht glücklich, aber sie beseitigen äußere Hindernisse, die dem individuellen Glück im Wege stehen können. Dass in Ländern mit weniger solchen Hürden die Menschen im statistischen Mittel glücklicher sind, sollte uns nicht wundern. Wir sollten deshalb auch nicht über den „Materialismus“ oder „Egoismus“ unserer „oberflächlichen“ Epoche die Nase rümpfen – es war vermutlich nie anders. Und am Ende bleibt es doch jedem einzeln aufgetragen, sein Glück zu finden. Ob in Finnland, Österreich oder anderswo.

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