Analyse

Londoner Polizei "institutionell rassistisch und sexistisch"

Louise Casey trifft im Queen-Elizabeth-II-Conference-Centre ein, um über ihre Untersuchung der Verhaltensstandards und der internen Kultur des Metropolitan Police Service zu informieren
Louise Casey trifft im Queen-Elizabeth-II-Conference-Centre ein, um über ihre Untersuchung der Verhaltensstandards und der internen Kultur des Metropolitan Police Service zu informieren(c) Reuters
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Ein Polizist als Serienvergewaltiger verurteilt, ein anderer als Mörder. Einzelfälle? Nein, schreibt Louise Casey in ihrem Bericht über die britische Metropolitan Police.

Die Londoner Polizist ist institutionell rassistisch, frauenfeindlich und homophob. Zu diesem Schluss gelangt ein unabhängiger Untersuchungsbericht, der in der Nacht zum Dienstag veröffentlicht wurde. Die Metropolitan Police (Met) habe dabei versagt, Frauen vor Sexualstraftätern in Uniform zu beschützen, urteilte Louise Casey, die mit dem Report beauftragt worden war. Sie forderte die Met zu tiefgreifenden Änderungen auf.

"Es ist nicht unsere Aufgabe als Öffentlichkeit, uns vor der Polizei zu schützen. Es ist die Aufgabe der Polizei, uns Bürger zu schützen", sagte Casey. "Viel zu viele Londoner haben das Vertrauen in die Polizei verloren."

Dienstausweis für Vergewaltigung ausgenutzt

Seit Jahren kommt die Met nicht aus der Krise. Sinnbildlich steht der Fall Sarah Everard. Dass ein Polizist die 33-Jährige im März 2021 unter Einsatz seines Dienstausweises entführte sowie anschließend vergewaltigte und ermordete, hat das Ansehen der Bobbys - so der freundliche Spitzname der britischen Schutzpolizisten, mit denen Touristen gerne posieren - zutiefst erschüttert. Doch auch nach der Verurteilung des Täters zu lebenslanger Haft treten immer neue Skandale zutage. Erst im Februar wurde ein Beamter, der in derselben Einheit diente wie der Everard-Mörder, zu jahrzehntelanger Haft verurteilt - er hatte über einen Zeitraum von fast 20 Jahren ein Dutzend Frauen immer wieder vergewaltigt und missbraucht.

Der Mörder sowie der Serienvergewaltiger in Uniform sind beileibe keine Einzelfälle, wie Aufklärerin Casey deutlich machte. Auf die Frage, ob es in der Met noch mehr kriminelle Beamte geben könnte, antwortete die ehemalige Regierungsbeschäftigte: "Ich kann Ihnen nicht ausreichend versichern, dass dies nicht der Fall ist."

Erst am Montag wurde bekannt, dass mehr als 100 Polizisten, gegen die wegen sexuellen Fehlverhaltens ermittelt wird, regulär im Dienst sind. Caseys 363 Seiten starker Bericht macht deutlich, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen nicht so ernst genommen wurde wie andere Arten von Gewalt - auch innerhalb der Met sei Mobbing verbreitet.

"Tief sitzende Homophobie"

"Beamtinnen und weibliche Beschäftigte sehen sich routinemäßig mit Sexismus und Frauenfeindlichkeit konfrontiert", heißt es. "Die Met hat ihre weiblichen Angestellten oder Mitglieder der Öffentlichkeit weder vor Tätern in der Polizei, die häusliche Gewalt anwenden, noch vor denen geschützt, die ihre Position für sexuelle Zwecke missbrauchen.“ Doch das ist nur ein Teil der schmerzhaften Wahrheit. Die Behörde ist zudem institutionell rassistisch, wie Casey betonte. Damit hat sich die Lage seit einer Untersuchung von 1999 so gut wie nicht verändert. Schließlich herrsche in der Met eine "tief sitzende Homophobie", urteilte Casey. Ihr Bericht sei "drastisch, streng und schonungslos".

Zur sexistischen, rassistischen und homophoben Kultur kommen kaum vorstellbare Arbeitsbedingungen hinzu. So müssten Beamte ihre Beweismittel in "überfüllten, baufälligen oder kaputten Kühl- und Gefrierschränken" verstauen. Manche Geräte sind so voll, dass sie zugeschnallt werden müssen. In einem Fall wurde eine Lunchbox im selben Kühlschrank gefunden wie eine Probe aus einem Vergewaltigungsfall. In einem anderen ging ein Kühlschrank kaputt - die dort aufbewahrten Beweismittel waren dadurch unbrauchbar. Der größte Teil der Belegschaft sei überarbeitet und unerfahren.

Hauptstadtbewohner als Leidtragende

Vor allem bei häuslicher Gewalt seien Fallzahlen nicht überschaubar, Opfer würden nicht ausreichend unterstützt, heißt es weiter. "Das hat die Abkopplung von den Londonern verschärft." Die Bewohner der britischen Hauptstadt seien die Leidtragenden. Zu ähnlichen Schlüssen war im Herbst bereits ein Untersuchungsbericht der Aufsichtsbehörde HMICFRS gekommen. Demnach ist die Aufklärungsrate bei Vergewaltigungen und Einbrüchen miserabel, dafür die Zahl der Straftäter in Uniform hoch. Einstellungen würden nicht ausreichend überprüft - wohl auch, weil nach einer radikalen Kürzungswelle seit wenigen Jahren wieder in breitem Maßstab eingestellt wird.

In der Pflicht ist nun mehr denn bisher Londons oberster Polizist Mark Rowley, der seit einem halben Jahr an der Spitze der Met steht. Seit Amtsantritt hat der Commissioner deutlich gemacht, dass er rigoros gegen korrupte und gewalttätige Polizisten durchgreifen wird. Es würde ihn nicht wundern, wenn wöchentlich zwei bis drei Beamte vor Gericht landen, sagte Rowley im Jänner.

Mit dem neuesten Bericht steht die Met endgültig auf dem Prüfstand, von einer "letzten Chance" war schon vorher die Rede. Nun forderte Casey eine "völlige Überholung" der Behörde. Caseys Fazit: Wenn sich die Truppe nicht reformiert, drohe ihr die Auflösung.

(APA/dpa)

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