Chinas erster Flugzeugträger kurz vor Fertigstellung

Chinas erster Flugzeugtraeger kurz
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Just während des Besuchs von Staatschef Hu Jintao in Washington tauchen Berichte auf, wonach das Schiff in Kürze in Dienst gestellt wird. Es wird der Grundstein zum Bau von global einsetzbaren Trägerkampfgruppen analog jener der USA.

Peking/Wien. Chinas rasanter militärischer Aufstieg zur Supermacht setzt sich spektakulär fort: Just während des Besuchs von Staats- und Parteichef Hu Jintao in Washington berichten militärische Fachmedien, dass Chinas erster Flugzeugträger unmittelbar vor der Fertigstellung steht. Am Schiff würden gerade letzte Tests vorgenommen, es könnte spätestens im Juli offiziell in Dienst gestellt werden, wenn China den 90. Jahrestag der Gründung der Kommunistischen Partei feiert. Die USA haben die Fertigstellung frühestens für 2012 erwartet.

Den Berichten zufolge seien alle Arbeits- und Wohnabteilungen an Bord fertig, ebenso die Radarsysteme, Motoren, Navigations- und Luftabwehrsysteme. Zuletzt sah man Rauch aus den Dieselgeneratoren des Antriebs kommen. Das Schiff befindet sich in einer Werft in der Stadt Dalian (früher „Lü Ta“) an der Spitze einer Landzunge, die ins nördliche Gelbe Meer reicht. Derzeit besitzen nur neun Staaten Flugzeugträger, die allermeisten davon die USA, die sich durch Flugzeugträger Chinas als Stütze dessen aufsteigender Seemacht auch am stärksten herausgefordert fühlen.

Der 300 Meter lange und bis zu 73 Meter breite Träger mit einer vermuteten Maximalverdrängung von 66.000 Tonnen ist allerdings keine völlig autonome Entwicklung der Chinesen sondern hat eine interessante Geschichte hinter sich. Im Grunde ist es ein Schiff, das in den 1980ern in der UdSSR als „Riga“ gebaut und 1988 in „Varyag“ umgetauft wurde; der Name erinnert an die Waräger, die Bezeichnung für Wikinger, die sich im 9./10. Jahrhundert von Norden her in Russland ansiedelten.

In der UdSSR firmierte die Varyag nicht als Flugzeugträger sondern als „Schwerer Kreuzer mit Flugzeugen“. Grund war der Meerengen-Vertrag von Montreux von 1936, der die Passagerechte durch den Bosporus regelt – und die Durchfahrt von Flugzeugträgern erschwert bzw. verbietet. Wegen des Falls der UdSSR wurde die Varyag in ihrer Werft an der ukrainischen Schwarzmeerküste jedenfalls nie ganz fertig, die Arbeiten endeten 1992, dem Schiff fehlten unter anderem die elektronischen Systeme und auch die Flugzeuge.



Bis 1998 wurde sie, mittlerweile Besitz der Ukraine, teilweise ausgeschlachtet, so fehlten die Motoren, das Ruder und andere Systeme. 1998 kaufte eine Hongkonger Firma das ziemlich angerostete Gefährt bei einer Auktion um 20 Millionen US-Dollar; angeblich sollte es nach Macao gebracht und dort zu einem schwimmenden Casino- und Restaurantkomplex umgebaut werden.

Als die Firma anno 2000 das Schiff nach China schleppen lassen wollte machte die Türkei unter Berufung auf den Montreux-Vertrag Probleme, gab vor allem die Befürchtung an, das antriebslose Ding könnte beim Durchschleppen Schaden an den Brücken über den Bosporus anrichten. Dann tauchten chinesische Beamte auf und überzeugten die Türken – dem Vernehmen nach mit etwas Geld und der Zusage, man werde den Tourismus von China in Richtung Türkei erleichtern.

Ende 2001 wurde die Varyag, begleitet von 27 Schiffen, über Gibraltar und das Kap der Guten Hoffnung nach China geschleppt. Dabei gab es in der Ägäis Probleme, als sie sich in einem Sturm losriss und sich einer Insel näherte, aber man fing sie wieder ein. Anfang März kam sie in Dalian an.

Macao aber sollte sie nie sehen, denn plötzlich wurde das Schiff von der chinesischen Volksmarine übernommen – und seither allmählich instand gesetzt. Man kann es übrigens über „Google Earth“ hervorragend im Hafen liegend sehen.

Damit wird sie in Kürze zum Kern des Ausbaus der chinesischen Flotte, die neben dem Bau zahlreicher moderner U-Boote, Zerstörer und weitreichender Anti-Schiff-Raketen auch den von Flugzeugträgern samt schweren Begleitschiffen vorsieht – analog dem Vorbild der US-Marine. Immerhin nannte Liu Huaqing, ein Admiral, das 21. Jahrhundert das „Jahrhundert des Meeres“. Die Varyag (ihr chinesischer Name ist noch unbekannt) wird dabei vorerst vor allem als Übungsgerät und zum Sammeln von Erfahrungen genutzt werden; Experten erwarten aber schon für 2015 mit dem Baubeginn eigenständig entwickelter chinesischer Flugzeugträger.

Noch unsicher ist, mit welchen und wie vielen Flugzeugen sie bestückt wird. Das im Dienst der russischen Marine befindliche Schwesterschiff der Varyag, die „Admiral Kusnezow“, hat etwa 20 Jets vom Typ „Suchoi“ und 20 Hubschrauber, angeblich wollen die Chinesen mehr Flugzeuge unterbringen – vermutlich vom Typ Shenyang J-15, die man von der russischen Suchoi Su-33 („Flanker-D“) abgekupfert hat. Vermutlich werden chinesische Piloten ab Sommer ihre ersten Start- und Landeversuche von der Varyag mit modifizierten Jets anderer Typen, etwa der Shenyang J-11, machen.

Die US-Marine, die den Pazifik praktisch kontrolliert, sieht Chinas Träger-Pläne und dessen übrige Aufrüstung zur See mit großer Sorge. Dabei dürfte Chinas Stoßrichtung weniger die strategische Kontrolle ferner Seegebiete und der Vorstoß im Pazifik sein als eher die Erlangung der Fähigkeit zum „Area Denial“, der Raumverweigerung. China wolle bestimmte Zonen für andere Flotten unzugänglich oder nur unter schweren Verlusten betretbar machen, sagen US-Offiziere; vor allem geht es um Seegebiete in bis zu mehreren tausend Kilometern Abstand vor der Küste Chinas, und vor allem um jenes um Taiwan. Auch wollen die Chinesen wohl die Seerouten nach Afrika und Lateinamerika, von wo sie immer mehr Rohstoffe beziehen, schützen können.

Zuletzt gab es auch Berichte, wonach China als erstes Land eine ballistische Rakete zur Bekämpfung von Kriegsschiffen entwickelt hat: Die „Dongfeng 21-D“ soll, vom Land abgeschossen, ein Ziel in bis zu 5000 Kilometer Entfernung treffen können, sie wäre nur schwer abzufangen, und nur eine davon könnte selbst ein großes Schiff wie einen Kreuzer außer Gefecht setzen, ja versenken. Tests damit gab es aber noch nicht.

Weltweit gibt es etwa 40 Flugzeugträger aller Größen, einschließlich derer, deren Bau weit fortgeschritten ist oder die in Reserve sind und jener, die vorwiegend Hubschrauberträger sind. Die USA als Seemacht Nummer eins haben elf „Superträger“ mit je 80 bis 100 Jets und Atomantrieb, sechs sind in Reserve, dazu kommen zehn kleinere Träger („amphibische Angriffsschiffe“) mit konventionellem Antrieb. 2015 soll die „Gerald Ford“ fertig sein. Die Träger anderer Nationen sind weit kleiner bzw. amphibische Angriffsschiffe: Die britische HMS „Illustrious“ etwa trägt maximal 22 Flugzeuge bzw. Hubschrauber, die spanische „Príncipe de Asturias“ 29 Fluggeräte.

Frankreich und Indien besitzen in diesem Sinne je drei Träger, Italien und Großbritannien je zwei, Russland, Thailand, Brasilien und Spanien je einen. In Australien werden bis 2015 zwei kleine Träger fertiggestellt.

(gre)

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