Klimaschutz

Verkehr: EU öffnet Verbrenner-Schlupfloch

FILE PHOTO: An exhaust pipe of a car is pictured on a street in a Berlin
FILE PHOTO: An exhaust pipe of a car is pictured on a street in a BerlinREUTERS
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Die EU-Kommission will zulassen, dass neue Pkw nach 2035 mit E-Fuels fahren dürfen – sofern ihr Betrieb mit Benzin und Diesel technisch unmöglich ist.

Brüssel/Wien. Und sie bewegt sich doch – die Rede ist von der Europäischen Kommission, die als Reaktion auf die Blockade des geplanten Ausstiegs aus Verbrennungsmotoren durch einen Zylinder-Zirkel rund um Deutschland und Italien einen Kompromissvorschlag vorgelegt hat. Am Dienstag – und damit rechtzeitig vor dem Beginn des EU-Gipfels am Donnerstag – präsentierte die Brüsseler Behörde eine Ergänzung zu den geplanten Regeln für die Zeit nach 2035, der zufolge Neuwagen mit Verbrenner-Motoren weiter zugelassen werden sollen, sofern diese ausschließlich mit CO2-neutral hergestellten synthetischen Kraftstoffen (sogenannten E-Fuels) betankt werden können.Die Autos müssten demnach technisch erkennen können, wenn etwa Benzin oder Diesel getankt worden sei, und dann automatisch abschalten.

Zur Erinnerung: Anfang März zog Berlin seine bereits gegebene Zustimmung zum EU-weiten Verbrenner-Aus ab 2035 zurück und verlangte Ausnahmen für E-Fuels, woraufhin unter anderem Italien und Polen ihren Widerstand bekundeten und der (eigentlich ausverhandelte und zwischen Kommission, EU-Parlament und Mitgliedstaaten im Herbst des Vorjahres abgestimmte) Gesetzesvorschlag nicht mehr die nötige Mehrheit im Rat hatte. Am Dienstag hieß es aus Berlin, dass nun nichts mehr im Weg stehe, um den mit diesem neuen Passus erweiterten Entwurf bis Donnerstag zu akkordieren.

Autoland spielt auf Zeit

Doch mittlerweile haben auch andere Mitgliedstaaten Bedenken angemeldet. So geht etwa Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) davon aus, dass es vor dem Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag „keine Einigung, aber eine offene Debatte“ geben werde. Zuvor kündigte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) an, beim Brüsseler Treffen gegen den geplanten Ausstieg aus Verbrennungsmotoren stimmen zu wollen. In seiner „Rede zur Zukunft der Nation“ vor zwei Wochen hatte Nehammer Österreich als „das Autoland schlechthin“ bezeichnet.

Die Autokonzerne selbst sind in dieser Frage allerdings gespalten. Am Dienstag veröffentlichte das internationale Klimabündnis Climate Group einen offenen Brief an die EU-Kommission, der von 47 multinationalen Unternehmen unterzeichnet wurde – darunter Ford und Volvo. Die Initiatoren, zu denen die Großkonzerne Ikea, Unilever, Pfizer und ABB zählen, fordern darin die Brüsseler Behörde auf, beim strikten Verbrenner-Aus zu bleiben, weil die EU sonst ihr oberstes Klimaziel der CO2-Neutralität ab 2050 nicht erreichen könne. Ein Aufweichen der Regeln sei demnach ein „gefährlicher Präzedenzfall für Europa, der das Vertrauen der Wirtschaftstreibenden in die politischen Entscheidungsprozesse untergräbt“.

Aufgrund seines geringen Wirkungsgrads (rund 85 Prozent der eingesetzten Energie gehen beim Produktionsprozess verloren) und der damit verbundenen hohen Kosten gelten E-Fuels als Nischenprodukt und sollen nach EU-Plänen nur dort zum Einsatz kommen, wo es keine Alternativen gibt – etwa in der Luftfahrt. (ag./la)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2023)

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