Kreisky-Porträt: TV-Dokumentation mit Filmriss

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Bruno Kreisky - der Kommunikator, der Modernisierer, der Medien-, der Sonnenkanzler .Die Nostalgie zum 100. Geburtstag strebt ihrem Höhepunkt zu. Helene Maimann hat Respekt vor der Legende - aber da fehlt was.

Am 28. September 1973 überfallen zwei palästinensische Terroristen im Grenzbahnhof Marchegg einen Eisenbahnzug mit jüdischen Auswanderern aus der Sowjetunion. Sie nehmen drei Geiseln und fordern die Schließung des Transitlagers in Schönau an der Triesting. Bundeskanzler Kreisky gibt der Forderung nach, drei Menschenleben sind gerettet, die Geiselnehmer dürfen unbehelligt ausreisen. Die Empörung in Israel ist enorm, auch wenn die jüdische Ausreise aus dem Sowjetreich auf andere, listige Weise gesichert bleibt.
Mit dieser Sequenz beginnt Helene Maimanns TV-Dokumentation über Bruno Kreisky. Sie hat sich bei der Fülle dramatischer Ereignisse im Leben dieses Mannes auf einige Themen beschränken müssen. 62 Minuten sind eine harte Sache, gerade bei Kreisky, der Bibliotheken füllt.

Maimann durchbricht ihr filmisches Porträt durch Interviews mit zahlreichen Zeitzeugen und Weggefährten, deren Auswahl freilich – wie sollte es auch anders sein – nicht restlos befriedigt. Henry Kissinger gibt zu, ihn in Sachen Schönau auch nicht ganz verstanden zu haben, Eva Nowotny und Barbara Coudenhove-Kalergi geben Auskunft über Kreiskys – letztlich erfolglose – Versuche, dem Nahen Osten eine Befriedung zu verschaffen. Wenn dem sonst so scharfzüngigen Helmut Schmidt zu Kreisky nicht wirklich Essenzielles einfällt, so hätte man mit einem entschlossenen Cut schon wieder wichtige Minuten gewonnen. Denn dass Schmidt, der zu Bruno K. ein recht unterkühltes, eigentlich gar kein Verhältnis hatte, Mentholzigaretten pafft, darf als bekannt angenommen werden.

Kreisky, der Kommunikator, der Modernisierer, der Medien-, der Sonnenkanzler. Die Liste der Reformen durch sein Team (das sollte nie vergessen werden) kann sich sehen lassen. Helene Maimann stellt gekonnt den Mann in seine Zeit, umschifft keineswegs die bittere Auseinandersetzung mit Simon Wiesenthal rund um den FPÖ-Obmann Friedrich Peter 1975. Vom Zeitzeugen und damaligen Klubobmann Heinz Fischer freilich durfte, musste man sich an dieser Stelle eine klarere Aussage über seine eigene Rolle in dieser Affäre erwarten, sonst stellt sich die ganze Zeitgeschichte auf den Kopf.
Maimann geht sehr respektvoll mit Kreisky um. Und das ist auch richtig so. Er hat um ein Haar den Bodenkontakt zur aufbegehrenden Jugend im „Fall Zwentendorf“ verloren, das wird recht plastisch herausgearbeitet. Und da gibt es auch Anlass zum Schmunzeln in Nostalgie.

Gewitzt umgeht die Historikerin die bereits zu Tode gedroschene Pressekonferenz mit bekannter Journalistenbeschimpfung („Lernen S' . . .“), so billig gibt sie es nicht. Stattdessen lässt sie Hannes Androsch über die guten Jahre anfangs der Siebzigerjahre plaudern. Nicht belegt ist die Behauptung André Hellers, Kreisky habe einen Narren an dem schillernden Udo Proksch gefressen. Das dürfte eher eine künstlerische Ausschmückung sein. Aber die ist witzig.

Und dann – der Filmriss. Kein Wort über den Vater-Sohn-Konflikt zwischen Kanzler und Vize, der später die Regierungsarbeit lähmen und die Partei fast zerreißen sollte. Nichts über die Bitternis der Jahre nach dem Rücktritt 1983, Kreiskys tiefe Entfremdung von „seiner“ Bewegung, an der er mehr noch litt als an den Krankheiten, die er als „echte Gemeinheiten“ verfluchte. Als geschwächten, verbitterten Witwer auf Mallorca sehen wir ihn wieder, die Bilder gehen zu Herzen. Dabei hätte ihn eigentlich seine Lebensleistung dreifach stolz machen müssen. Aber die enge Bindung zu seiner SPÖ, die ihm so viel zu verdanken hatte, war gekappt. Und so endet der Film elegisch mit dem Wellenschlag des Meeres, in dem die rote Sonne untergeht.

Zu sehen heute in „Menschen & Mächte: Bruno Kreisky“, 21.05 Uhr, ORF2.

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