Gastkommentar

Klimapolitik: Kurz entschlossen, schnell vergessen

Am Sonntag jährt sich erneut der Entschließungsantrag des Klimavolksbegehrens. Passiert ist seither viel zu wenig.

Zur Autorin:

Katharina Rogenhofer (*1994 in Wien) holte 2018 mit weiteren Aktivistinnen und Aktivisten die „Fridays for Future“-Bewegung nach Österreich und übernahm von 2019 bis 2022 die Leitung des Klimavolksbegehrens. Sie studierte Zoologie an der Uni Wien und Nachhaltigkeits- und Umweltmanagement in Oxford.

Im März 2021 beschloss der Nationalrat einen Antrag zum Klimavolksbegehren. Zwei Jahre später warten wir immer noch auf die Umsetzung fast aller unserer Kernforderungen. Denn bis auf die erfolgreiche Einberufung des Klimarats und die viel zu lasche ökosoziale Steuerreform hat sich bislang wenig getan. Aktuelle klimapolitische Ereignisse machen jedoch unisono klar: ein sofortiges Handeln ist unverzichtbar!

Die 380.590 Unterschriften für das Klimavolksbegehren wurden nach mehreren Verhandlungsrunden im Parlament am 26. März 2021 mit einem Entschließungsantrag gewürdigt. Die Parlamentsmehrheit von ÖVP, Grünen und Neos stimmte für unsere Maßnahmen, die den Weg zu Österreichs Klimaneutralität 2040 ebnen sollten.

Seitdem sind genau zwei Jahre vergangen. Die Liste der nicht umgesetzten Forderungen ist lang: Es gibt immer noch kein Klimaschutzgesetz mit Reduktionszielen bis 2040. Es gibt kein wissenschaftliches Gremium, das die Klimapolitik bewertet und Empfehlungen ausspricht. Es gibt keine Sofortprogramme bei Zielverfehlung. Und das, obwohl Österreichs Emissionen seit 1990 nicht gesunken sind und hinlänglich bekannt ist, was auf dem Spiel steht.

Der aktuelle IPCC-Bericht macht mehr als deutlich: Jede Verzögerung der CO2-Reduktion bringt häufigere und intensivere Dürren, Überschwemmungen, Muren, Missernten, schneefreie Winter und überhitzte Sommer. Österreichs Landwirtschaft hat bereits jetzt vor Saisonstart mit Trockenheit zu kämpfen. Niemand wird später sagen können: „Ich habe das nicht gewusst.“

Dennoch ignorieren viele Politikerinnen und Politiker – allen voran Bundeskanzler Karl Nehammer, wie er in seiner „Rede zur Zukunft der Nation“ deutlich gemacht hat – auf höchst verantwortungslose Weise, was Wissenschaftlerinnen und viele Menschen in Österreich mit ihnen seit Jahrzehnten fordern. Anstatt verbindliche Rahmenbedingungen zu schaffen wird Klimaaktivismus verschmäht und der fossilen Lobby der rote Teppich ausgerollt. Anstatt Innovationen zu fördern, die längst auf dem Tisch liegen, wird auf Wundertechnologien in der Zukunft gehofft. Der Wille umzusetzen, was vor zwei Jahren mehrheitlich beschlossen wurde, scheint verflogen zu sein.

Das ist Klimakrisenleugnung

Ein Weiter-wie-bisher können wir uns jedoch nicht leisten. Es wäre unverantwortlich in Zeiten des schwindenden Vertrauens in die Politik und Institutionen, weiterhin Politik an den Menschen vorbei zu machen. Hinter den 380.590 Unterschriften des Klimavolksbegehrens stehen Menschen, denen die Zukunft Österreichs am Herzen liegt. Hinter dem Antrag im Parlament steht eine Mehrheit der Abgeordneten. Sie haben mehr verdient als eine Kanzlerrede, die an Klimakrisenleugnung grenzt.

Es braucht mehr denn je Taten, um der Klimakrise entgegenzuwirken. Das Erneuerbaren-Wärme-Gesetz muss uns im Ausstieg aus 900.000 Gas- und 600.000 Öl-Heizungen unterstützen, die 5,7 Milliarden, die noch immer in Klimaschädigung fließen, müssen zukunftsfit investiert werden und für die Reduktion unserer Emissionen auf null bis 2040 braucht es ein wirksames Klimaschutzgesetz.

Deshalb, werter Bundeskanzler: Noch können Sie eine lebenswerte Zukunft möglich machen. Oder Sie können in die Geschichtsbücher als derjenige eingehen, der uns sehenden Auges in eine Klimakatastrophe stürzt. Es ist Ihre Entscheidung.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2023)

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