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Digitaler Staat: „Österreich ist Vorreiter, aber wir sind noch nicht dort, wo wir sein wollen“

Im neuen „Presse“-Studio diskutierten unter der Leitung von Jakob Zirm, Ressortleiter Economist, Tageszeitung „Die Presse“ (v. l. n. r.):  Valerie Albrecht, Johannes Ferner, Florian Tursky, Wolfgang Pinkl und Matthias Wodniok.
Im neuen „Presse“-Studio diskutierten unter der Leitung von Jakob Zirm, Ressortleiter Economist, Tageszeitung „Die Presse“ (v. l. n. r.): Valerie Albrecht, Johannes Ferner, Florian Tursky, Wolfgang Pinkl und Matthias Wodniok.(c) Roland RUDOLPH
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Digitale Transformation. Österreich ist im Bereich E-Government gut aufgestellt. Dennoch sind einige Fragen noch offen. Was braucht es, damit die digitale öffentliche Verwaltung den Menschen auf allen Ebenen Unterstützung bietet und Unternehmen Raum für Innovationen lässt? Welche Herausforderungen sind auf dem Weg zum digitalen Staat mit Bürgernähe zu bewältigen? Antworten dazu gaben Expert:innen im Rahmen der #nextlevel-Initiative.

Wenn es um die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung geht, gilt Österreich international als Vorreiter. Mit der Zielsetzung, Bürger:innen und Unternehmen den unkomplizierten und zeitlich unabhängigen Zugang zu den Leistungen des Staates zu verschaffen, wurde die einfache Bedienung der digitalisierten Amtsservices schon frühzeitig vorangetrieben. Services wie FinanzOnline oder das Digitale Amt sind längst eta-bliert, werden gern und viel genutzt. Sich jetzt auf den Lorbeeren auszuruhen, wäre laut Expert:innen allerdings ein falscher Ansatz.

Blick nach vorn

„Man darf zwar mit dem Status quo recht zufrieden sein, aber wir sind natürlich noch lang nicht dort, wo wir sein wollen“, sagt Florian Tursky, Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen. Das Ziel lautet nicht nur, so schnell wie möglich alle Amtswege und alle Ausweise, die Menschen in ihren Taschen haben, zu digitalisieren. Es geht dabei auch um die bestmögliche Usability für die User. „Unser Idealbild eines Service-Charakters ist, dass nicht die Menschen die Dienstleistungen suchen müssen, sondern dass die Services die Menschen suchen und ihnen in ihrer jeweiligen Situation in einfacher und angenehmer Weise begegnen“, so Tursky.

Dass trotz aller bisherigen Errungenschaften der Blick nach vorn gerichtet werden muss, betont ebenfalls Valerie Albrecht vom Zen­trum für E-Governance der Donau-Universität Krems: „Wir haben in Österreich zweifellos sehr vorbildliche Anwendungen bereits umgesetzt. Ich denke etwa an ­FinanzOnline, die Handysignatur oder die antragslose Familienbeihilfe und die antragslose Arbeitnehmerveranlagung. Jetzt stellt sich aber die Frage: Wie bekommen wir das in die Breite, und wie können wir daraus weiter lernen, um unsere komplette Verwaltung zu transformieren?“ Dazu biete sich an, Initiativen anderer Länder genau zu betrachten: „Man denkt zunächst an Estland oder Dänemark, wo sehr digitalfreundliche Gesetzte eingeführt wurden. Auch in Finnland greift die digitale Vernetzung immer stärker. Wir sollten uns anschauen, was wir daraus lernen können.“

Digitalisierung aller Prozesse

Weniger zu lernen gibt es übrigens interessanterweise beim Blick über die Grenzen auf das Nachbarland Deutschland, wie Matthias ­Wodniok, Vorstandsmitglied der ­Fabasoft AG, weiß: „In Deutschland ist man in Sachen E-Government erstaunlich schwerfällig. Beim Thema Digitalisierung allgemein und bei der Digitalisierung der Verwaltungsdienstleitungen im Besonderen ist Deutschland trotz einiger Leuchtturmprojekte nicht unbedingt das Land, das als Vorbild dienen kann.“ Eine Frage des Timings, bestätigt Johannes Ferner, CEO des Wiener Softwareentwicklers fiskaly: „In Österreich hat man deutlich früher erkannt, wie wichtig die Entschlackung und Digitalisierung im Verwaltungsbereich ist, und welchen Stellenwert Bürger- und Unternehmensnähe dabei haben.“

Aber selbst wenn man im Vergleich zum „großen Bruder“ gut dasteht, sollten in Österreich vor allem die Fragen im Vordergrund stehen: Was ist noch nicht digitalisiert? Was fehlt noch auf dem Weg zu einem serviceorientierten Staat mit digitaler Verwaltung? „Das Ziel muss es sein, Bürger:innen dort abzuholen, wo sie gerade sind. Wenn man im Wohnzimmer auf der Couch sitzt, mit dem Handy in der Hand oder dem Laptop vor sich, dann ist dies der Ort, an dem der digitale Prozess klaglos stattfinden muss“, sagt ­Wolfgang Pinkl, Director Business Transformation EY. Von einem komplett durchdigitalisierten Prozess könne aber noch nicht die Rede sein, „solange es für viele teils unverständlich ist, wie man digitale Formulare ausfüllt, solange Sachbearbeiter:innen im Hintergrund die Infos erst einmal in ihr Fachsystem eingeben müssen und solange abschließende Bescheide per Post, anstatt in ein digitales Postfach zugestellt werden.“

Registersystemverbund

„Einer der Hauptgründe, warum Österreich so stark dasteht, ist unser ausgezeichnetes Verwaltungssystem. Der nächste Schritt, den man jetzt gerade setzt, ist, die Register miteinander zum Kommunizieren zu bringen“, sagt Florian Tursky. Wenn man Dokumente von einem Behördensystem zum anderen tragen muss, sei das frustrierend und nicht effizient. „Genau dieses Pro­blem wird jetzt mit dem Registersystemverbund und der Digitalisierung der Ausweise und Amtswege gelöst. Bis 2024 sollte Österreich so weit sein.“ Mit automatisierten Schnittstellen werde auch ein höherer Datenschutz geschaffen.

Ein komplexes föderales System ist laut Expert:innen grundsätzlich kein Hindernis, wenn man, so ­Johannes Ferner, „darauf achtet, ein ordentliches Stammdatenmanagement umzusetzen, damit in allen Bundesländern, Gemeinden, Behörden und Systemen mit den dafür notwendigen Standards auf die Daten zugegriffen werden kann.“ Für Matthias Wodniok ist es dabei ganz wichtig, dass Prozesse neu, nämlich digital und End-to-End, gedacht werden: „Nur die analoge Welt in die Digitalisierung zu überführen, das wird nicht reichen“, so der Fabasoft-Vorstand, der ebenfalls das Thema Geschwindigkeit anspricht: „Auch die Verwaltung hat das Thema Time-to-Market, auch hier ist es von Bedeutung, dass die Kund:innen so rasch wie möglich von digitalisierten Prozessen profitieren.“

Was dabei antreiben sollte, so Wolfgang Pinkl, ist eine Antwort auf die Frage zu finden, was die Bürger:innen wollen, um in der Folge die technische Umsetzung möglich zu machen. Womit die Grundsatzfrage bei der Digitalisierung des Verwaltungsapparats beantwortet ist. Im Vordergrund stehen die Bedürfnisse der Bürger:innen, besser und schneller serviciert zu werden. Können diese mit „Amt-as-a-Service“ gestillt werden, bringt das auch Vorteile für die Verwaltung.
Valerie Albrecht bestätigt: „Es interessiert niemanden, welche ­Behörde wofür zuständig ist. Es geht einzig und allein darum, dass alles nahtlos und effizient und mit möglichst wenig Aufwand funktioniert. Der Usability-Ansatz muss im Fokus stehen, dann wird man bei der Digitalisierung auch die richtigen Lösungen finden.“

Digitale Kompetenz

Eine andere Frage ist, wie viel Digitalisierung man überhaupt einfordern darf. „Zu einem gewissen Maß muss man einfordern, weil wir wollen ja die Gesellschaft nicht in zwei Teile spalten, also in die digitalisierte und die nicht-digitalisierte Bevölkerung. Wir müssen also schauen, wie wir alle, von den Kindern bis zu den Senior:innen, in die Lage versetzen, dass sie am digitalen Leben teilhaben können“, sagt Wolfgang Pinkl. Der digitale Kanal sei dabei als einer zu definieren, der neben der persönlichen Kommunikation zusätzlich angeboten wird. „Wir wollen keinen digitalen Gap haben“, pflichtet Staatssekretär Tursky bei: „Wir werden alle Amtswege weiterhin analog anbieten, bis sich der Gap geschlossen hat – was noch rund zehn Jahre dauern kann.“ Gedacht werden, so Johannes Ferner, müsse jedoch künftig „digital first“, „was eben ein Neudenken der Prozesse voraussetzt“.

Ein wichtiger Beitrag dazu ist, die digitale (Grund-)Bildung voranzutreiben, um in allen Alters- und sozialen Schichten digitale Kompetenz zu erzielen. In diesem Sinne wurde laut Tursky gemeinsam mit den Sozialpartnern und verschiedenen Ministerien eine bundesweite Achse geschaffen, die digitale Kompetenzoffensive. Die Zielsetzung lautet, digitale Bildung bis ins Jahr 2030 allen Österreicher:innen zur Verfügung zu stellen. Nur dann werden die digitalen Angebote auch flächendeckend angenommen werden – Angebote, die umfassender als die bestehenden sein können, wie Valerie Albrecht am Beispiel Dänemark illustriert: „Dort bekommt jeder mit 15 Jahren ein digitales Mailpostfach für Verwaltungsgänge und eine ID, die mit Steuer- und Sozialversicherungsnummer verknüpft ist. Darüber laufen dann alle Verwaltungsprozesse.“

In Österreich wird in dieser Richtung beispielsweise daran gearbeitet, dass künftig alle Bürger:innen bei der Neuausstellung eines Passes automatisch ihre Digitale Identität (ID Austria) bekommen, die dann der Schlüssel für den Zugang zu digitalen Serviceleistungen ist, die möglichst alles umfassen sollen. Denn, ob es künftig Bereiche in der Verwaltung geben wird, die gar nicht digitalisiert werden sollen, ist laut Expert:innen eine unglückliche Fragestellung. „Wir sollten nicht mit der Lupe die Ausnahmen der Regel suchen, sondern jetzt mal alles unternehmen, um die digitale Transformation des Staates voranzutreiben“, so die Fachleute unisono.

Entscheidungshilfe KI

Unbestritten ist, dass die Digitalisierung des Verwaltungsapparats auch zu dessen Effizienz beitragen wird – wobei Effizienz genauer zu definieren ist. „Bedeutet Effizienz, dass Prozesse einfach kostengünstiger werden? Oder geht es mehr darum, dass Bürger:innen bequem und mit wenig Aufwand mit der Verwaltung kommunizieren können und auf digitalem Weg Lösungen für ihre Probleme erhalten? Ich denke, wir müssen vor allem Letzteres in den Vordergrund stellen, denn das ist es, was unter effizient verstanden wird“, sagt ­Wolfgang Pinkl. „Natürlich profitiert davon aber auch in Zeiten des Fachkräftemangels die Verwaltung selbst“, fügt Tursky an. „Denn die Automatisierung der Prozesse wird in der öffentlichen Verwaltung hilfreich sein. Da kommt zum Beispiel auf uns eine Pensionierungswelle zu, und man kann diese Arbeitsplätze gar nicht mit neuem Personal besetzen. Da geht es mehr darum, digitale Tools für neue und innovative Geschäftsmodelle zu nutzen, um effizient arbeiten zu können.“

Ein viel diskutiertes Thema ist in diesem Zusammenhang die künstliche Intelligenz, die künftig etwa bei der versicherungstechnischen Schadensbegutachtung oder bei einfachen Rechtsprüfungen das Kommando übernehmen könnte. „Automatisierungsgestützte Entscheidungsfindung nennen wir das so schön in Deutsch. Das heißt, dass mittels KI-Werkzeugen Sachverhalte analysiert werden, um auf dieser Basis Entscheidungen zu treffen. Diese Technologien existieren und werden bereits genutzt“, so Valerie Albrecht. Fakt ist, dass zu diesem Thema ein spannender Prozess im Gange ist, nicht zuletzt was die Rechtssicherheit betrifft. So arbeitet die Europäische Union momentan auf Hochtouren an einem umfassenden Rechtswerk für den digitalen Raum. Beim sogenannten „AI Act“ handelt es sich um einen Vorschlag für eine Verordnung, die einen Rechtsrahmen für den Einsatz künstlicher Intelligenz in der EU schafft, ohne dabei die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Technologien zu beeinträchtigen. Für den Fabasoft E-Government-Spezialisten Matthias Wodniok steckt in der KI jedenfalls großes Potenzial: „Wir haben in unserem Verwaltungssystem so viele Daten und so viel Wissen, dass wir mit der KI-gestützten Automatisierung da noch richtige Schätze bergen können.“

Hürden auf dem digitalen Weg

Thematisiert wurden zuletzt bei der Diskussion die möglichen Hindernisse, die es auf dem Weg der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung noch zu überwinden gilt. „Sehr viele Digitalisierungsvorhaben brauchen noch rechtliche Grundlagen, wie wir gerade am Beispiel von KI besprochen haben. Fragen gibt es aber auch im Kleinen, wenn wir uns zum Beispiel für viele Prozesse noch anschauen müssen, welche Schriftformerfordernisse wir benötigen. Und natürlich steht bei allen Maßnahmen immer die Frage nach den erforderlichen personellen und monetären Mitteln im Raum.“ Vor allem bei digitalen Projekten ist das keine einfache Aufgabe, wie EY-Fachmann Wolfgang Pinkl unterstreicht: „Die Verwaltung ist ja nicht so aufgestellt, dass Heerscharen von Leuten herumsitzen, die nur darauf warten, dass sie endlich ein Digitalisierungsprojekt in Angriff nehmen können. Die Menschen haben ja alle im Tagesgeschäft etwas zu tun. Die Schwierigkeit liegt also darin, immer wieder Leute aus dem Alltag herauszulösen, um sie für ein Digitalisierungsprojekt zu gewinnen.“

Auch bestehende EU-Vorgaben – Stichwort Datenschutz – spielen bei der Umsetzung von Digitalisierungsagenden hinein; wenn auch nicht unbedingt negativ, wie Staatssekretär Florian Tursky betont: „Ich möchte an dieser Stelle eine Lanze für den Datenschutz brechen. Der macht die Dinge zwar komplizierter, aber er muss die Grundlage sein, weil jedes Projekt als Basis das Vertrauen der Bevölkerung braucht. 100 Prozent Transparenz ist unerlässlich.“ Einig sind sich die Expert:innen, dass die notwendige Digitalisierung am Datenschutz nicht scheitern wird.

Initiative #NEXTLEVEL

Die #nextlevel-Initiative richtet sich an Unternehmer:innen, die den nächsten Wachstumsschritt gemeinsam mit Fabasoft gehen möchten.

Das börsennotierte Softwareunternehmen bietet jungen Digitalschmieden eine ­strategische Partnerschaft an. Entrepreneur:innen profitieren u. a. von Best Practices, Coachings und vom Zugang zu neuen Marketing- und Vertriebskanälen.

Information

Die Seiten beruhen auf einer Medienkooperation mit der „Presse“ und sind mit finanzieller Unterstützung der Fabasoft AG ­entstanden.

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