Die Debatte der EU-Chefs über strategische Zukunftsthemen wurde bei diesem Gipfel einmal mehr von aktuellen Zwistigkeiten überschattet - allen voran verursacht vom ungarischen Regierungschef.
Wie kann Europa seinen Wohlstand in der Zukunft sichern – im Angesicht von Krieg, Klimakrise, zerrütteten globalen Lieferketten, einer alternden Bevölkerung, mangelnden Fachkräften, anämischem Wachstum und des wachsendem Rückstand auf China und die USA bei fast allen Zukunftstechnologien? Mit diesen strategischen Grundsatzfragen hätten sich die Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag bei ihrem Europäischen Ratstreffen in Brüssel eingehend befassen sollen.
Vier Seiten an detaillierten gemeinsamen Schlussfolgerungen hatten ihre Diplomaten zu diesem Zweck vorbereitet. Und auch UNO-Generalsekretär António Guterres war eigens aus New York angereist, um mit den Chefs über die fragile Lage der Welt, allen voran der ärmsten Staaten, zu diskutieren. „Viele Staaten befinden sich derzeit in einem perfekten Sturm“, sagte Guterres und meinte damit, dass Klimakrise und Inflation zahlreiche Entwicklungsländer unter Druck setzen.
Doch wie so oft in der jüngeren Geschichte der Union machte das aktuelle Geschehen diesen Plänen einen Strich durch die Rechnung. Die sogenannten gemeinsamen Feststellungen, denen zufolge der Gemeinsame Binnenmarkt nach 30 Jahren Erfolgsgeschichte ebenso vertieft werden müssen, wie die Europäische Kommission endlich ihren versprochenen Vorschlag für einen Europäischen Souveränitätsfonds vorstellen solle, wurden nach nur kursorischer Besprechung ohne tiefere Befassung von den 27 abgenickt. Denn das Aktuelle ging vor – und wieder einmal war es der ungarischen Ministerpräsident, Viktor Orbán, der gleich vor Beginn der Sitzung für Unmut sorgte.