Pizzicato

Ein Frühlingsglücksmoment

Michaela Seidler
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Überall blüht und sprießt es. Ich radelte über den Kiesweg. Die Sonne schien warm. Sie saß im Rollstuhl. Wir sahen einander an. Dann geschah es.

Rosa, weiß und gelb sprießt es wieder aus Bäumen, Büschen und Strauchwerk. In den Wiesen Blümchen. „Die Bäume wachen auf", hab ich in solch zauberischen Frühlingstagen zu meinem Buben gesagt, als er noch im Kindergartenalter war. Weil im Herbst, da waren die Bäume ja schlafen gegangen. La le lu. Jetzt, im Gym-Alter, hab ich's kürzlich wieder zu ihm gesagt, dass die Bäume aufwachen, und da hat er eine Sekunde lang (oder wie lang's halt dauert, dass ein Engel durchs Zimmer geht) so verträumt gelächelt.

Raus mit dem Rad aus dem Keller, Luft rein in die Reifen. Öl auf die Kette. Vor einigen Tagen die erste Radtour heuer. Ein Vormittag, noch etwas frisch, viel Sonne, Farben, klare Luft.

Auf dem Kiesweg längs der Bahnlinie nach Mödling kamen mir eine Frau mittleren Alters und eine jüngere Frau entgegen. Sah nach Mutter/Tochter aus. Eine von ihnen schob einen kleinen Rollstuhl. Darin saß ein Mädchen, vielleicht zehn. Schlank, lange braune Haare, wunderhübsches Gesicht. Irgendwie seltsame Beine.

Ich musste niesen. Sie schaute auf und sah mich an. Ich sah sie an. Grinste, hob eine Hand und winkte. Sie hatte braune Augen. Unsre Blicke trafen einander exakt, ich fiel in den ihren förmlich hinein. Sie lächelte, und da fuhr ich an den dreien vorbei. Diese Szene dauerte nur wenige Sekunden, aber sie wirkte viel länger. Es war klar, dass wir einander mochten. Es wurde dann noch ein schöner Tag. (wg)

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Greber

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