Diversity Care

Transkulturelle Skills erlernen

Nicht erst im Beruf, sondern bereits im Studium gilt es zu lernen, mit Kultur- und Sprachbarrieren umzugehen.
Nicht erst im Beruf, sondern bereits im Studium gilt es zu lernen, mit Kultur- und Sprachbarrieren umzugehen.Getty Images
  • Drucken

Medizinstudierende sollen bald in Form von Pflichtmodulen für soziokulturelle Unterschiede und Bedürfnisse von Patienten sensibilisiert werden.

In kurzer Zeit körperliche Beschwerden, Vorerkrankungen sowie medizinische Biografien der Patienten erfassen, um zu einer Diagnose und einer passenden Therapie zu kommen – das ist der Alltag von medizinischem Fachpersonal. Durch die internationale Mobilität vermehren sich die kulturellen Hintergründe der Patienten, mit denen Mediziner täglich in Kontakt kommen. Das geht mit besonderen Herausforderungen in der Behandlung einher. „Unsere Gesellschaft wird zunehmend diverser. Mittlerweile haben 25,4 Prozent der österreichischen Bevölkerung einen Migrationshintergrund und bringen ein anderes Verständnis von Krankheit und Gesundheit mit“, erklärt die Soziologin und Medizinhistorikerin Afsaneh Gächter und bringt ein Beispiel aus ihrer eigenen Biografie: „Als ich vor 35 Jahren aus dem Iran nach Österreich kam und zum Arzt musste, war meine erste Frage: ,Was darf ich jetzt nicht essen?‘ Schließlich bedeutet Krankheit in der persischen Kultur, dass man seine Ernährungsgewohnheiten kurz- oder längerfristig ändern muss.“ Auch Symptome zu beschreiben war für Gächter eine neue Erfahrung: Wo schmerzt es, und wie fühlt sich dieser Schmerz an? Dies konkret zu benennen, lernte sie erst in Österreich.

Umfangreiches Studium

Mit diesen kulturellen Einflüssen im Gesundheits- und Krankheitsverhalten, dem Umgang mit dem Körper bis hin zu den Vorstellungen und Erwartungen in der medizinischen Behandlung beschäftigt sich die Transkulturelle Medizin. Die Berücksichtigung dieses Wissens in der ärztlichen Versorgung wird als Diversity Care bezeichnet. „Es geht darum, ein für das Individuum passendes Behandlungs- und Betreuungskonzept zu entwickeln, unabhängig davon, welchen soziokulturellen Hintergrund jemand hat“, erklärt Türkkan Akkaya-Kalayci, Leiterin der Ambulanz für transkulturelle Psychiatrie für Kinder- und Jugendliche und Gründerin des postgradualen Lehrgangs Transkulturelle Medizin und Diversity Care an der Med-Uni Wien. Der interdisziplinäre, fünfsemestrige Masterlehrgang (MSc) richtet sich an viele Berufsgruppen: neben Medizinern und Pflegern auch an Ernährungswissenschaftler, Anthropologen, Theologen oder Juristen – sowie an Absolventen im Sozialbereich. Die Beschäftigung mit Migration und „fremden“ Gesundheits- und Krankheitskonzepten sind ebenso Teil des Curriculums, wie Sprache, Kommunikation und Konfliktmanagement in kulturellen Kontexten.

In Umfang und Form sei der Master weltweit einzigartig, sagt die Lehrgangsleiterin. Teilaspekte, wie transkulturelle Kommunikation und Diversity Management können aber zum Beispiel in dem einsemestrigen Lehrgang Transkulturelles Management am ÖIF berufsbegleitend erlernt werden, die Universität Osnabrück in Deutschland bietet zudem einen Master in interkultureller Psychologie an. Und im Zuge des Diplomfortbildungsprogramms der Österreichischen Ärztekammer gibt es auch Seminare zum Thema „Transkulturelle Medizin und Diversity Management“.

Ins Curriculum integrieren

Auf einen Blick

Trotzdem, viele Mediziner sehen sich erst im klinischen Alltag mit Kultur- und Sprachbarrieren konfrontiert, denn im regulären Medizinstudium finden sich bislang nur freiwillige Wahlmodule zu diesem Thema. Das soll sich nun ändern: Module aus dem postgradualen Lehrgang sollen in den kommenden Jahren in komprimierter Form in das reguläre Medizincurriculum der Med-Uni Wien integriert werden. Studierende erwerben in den neuen Pflichtmodulen ein Basiswissen an transkultureller Gesprächsführung sowie ein grundlegendes Verständnis für kulturelle Vielfalt in der medizinischen Versorgung. Die Vorteile, allen angehenden Medizinern diese Skills zu vermitteln, liegen für Akkaya-Kalayci, die an der Konzeption der Module beteiligt ist, auf der Hand: „Kultur- und Sprachbarrieren können Diagnostik und Entwicklung von geeigneten Behandlungs- und Betreuungskonzepten für Patienten erschweren.“ Man spare also zeitliche Ressourcen und im Gesundheitssystem viel Geld. Ziel sei es, allen Patienten eine gleich hohe Versorgungsqualität zu gewährleisten – im Sinn der personalisierten Medizin. Transkulturelle Medizin und Diversity Care fix im Studienplan zu verankern, sei dafür ein wichtiger Schritt.Der Universitätslehrgang Transkulturelle Medizin und Diversity Care an der Med-Uni Wien ist die erste postgraduelle Weiterbildung im europäischen Raum zum komplexen Zusammenspiel von Migration und Gesundheit und vermittelt jenes Wissen, um in der klinischen sowie in der allgemeinen Gesundheitsversorgung in einem multikulturellen Rahmen kompetent und professionell handeln zu können.
www.meduniwien.ac.at

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.