EU-Gipfel

Umstrittener Deal: Atomkraft rettet Verbrenner

Deutschlands Bundeskanzler, Olaf Scholz, sucht wieder eine etwas engere Zusammenarbeit mit Frankreich – nun auch bei der Lösung des Verbrennerstreits.
Deutschlands Bundeskanzler, Olaf Scholz, sucht wieder eine etwas engere Zusammenarbeit mit Frankreich – nun auch bei der Lösung des Verbrennerstreits. Michael Kappeler / dpa / picture
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Deutschland und Frankreich vereinbaren unter dem Schlagwort der „Technologieoffenheit“ den EU-Sanktus für ihre Schlüsselinteressen.

Brüssel/Wien. Die Eskalation rund um das bereits beschlossene Aus der Neuzulassung von Autos mit Verbrennermotor ab dem Jahr 2035 könnte sich schon am kommenden Dienstag in einem typischen deutsch-französischen Kuhhandel auflösen. Die 27 Energieminister dürften dann nämlich in Brüssel bei ihrer Ratstagung einer Novellierung der Richtlinie über erneuerbare Energie zustimmen, Wasserstoff, der mithilfe von Atomkraft erzeugt wird, als nachhaltig einzustufen, um diesen auf die Zielwerte der EU für erneuerbare Energieformen anrechnen zu können. Das ist im Interesse Frankreichs und dessen Nuklearindustrie.

Im Gegenzug widersetzt sich Frankreich nicht der Schaffung einer neuen Kategorie von Kraftfahrzeugen, die ausschließlich mit E-Fuel, also synthetisch hergestelltem Benzin, fahren, die ab 2035 weiterhin in der EU neu zugelassen werden dürfen. Das dürfte den deutschen Verkehrsminister befriedigen und der deutschen Autoindustrie eine Erleichterung verschaffen. Denn sie hat den Zug zur Elektrifizierung des Individualverkehrs lang verschlafen und tut sich nun vor allem bei den hochtourigen Sportwagen schwer aufzuholen. „Ich bin zuversichtlich, dass wir eine gute Lösung finden werden“, sagte Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission, am Donnerstagabend während des EU-Gipfels in Brüssel. Doch die Details sind noch auszuarbeiten, Stolpersteine beiseitezuräumen.

1. Wie genau soll dieser Kompromiss zwischen Atomenergie und E-Fuels funktionieren?

Zunächst muss die Kommission ihre bisher unverbindliche Zusage, eine Sonderkategorie für E-Fuel-Autos zu schaffen, in einen verbindlichen sogenannten delegierten Rechtsakt gießen. Das fordert das deutsche Verkehrsministerium, es soll binnen Jahresfrist erfolgen. Dabei muss auch klar vorgeschrieben werden, dass diese E-Fuel-Autos wirklich nur mit den „grünen“ synthetischen Kraftstoffen betankt werden können – und nicht, wie Kritiker argwöhnen, Tür und Tor für die weitere Verwendung von fossilen Treibstoffen öffnen. Das Schlagwort, welches Frankreichs Präsident, Emmanuel Macron, auf dem Gipfel vorbrachte, lautete „Technologieoffenheit“: Wenn man „technologieoffen“ E-Fuels als Teil der Erreichung der Klimaziele der EU behandelt, müsse das auch für die Kernkraft gelten, sagte ein europäischer Diplomat zur „Presse“. Und so wird die Kernkraft voraussichtlich bei der am Dienstag zu beschließenden Verhandlungsposition der Mitgliedstaaten in der Reform der Erneuerbare-Energien-Richtlinie als erneuerbare Quelle zur Gewinnung von Wasserstoff gewertet werden – „technologieoffen“, versteht sich.

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