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Nach dem Pflicht-Bandscheibenvorfall von einer Kiste Gala-Äpfel geht es aufwärts.
Nach dem Pflicht-Bandscheibenvorfall von einer Kiste Gala-Äpfel geht es aufwärts. Die Presse/Clemens Fabry
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Seit der Autor Obst verkauft, steht er täglich im Freien und atmet Luft ein, die nach Lavendel und Majoran duftet. Oder Käse. Drei blasse Biomädchen bieten vegane Karotten an und sind ein bisschen geldgierig. Daneben bringen frenetisch-sympathische Polinnen österreichische Mohnzelten unters Volk.

Ein Autor soll seinen Horizont erweitern. Zum Beispiel in der Bibliothek. Ist aber gefährlich. So mancher findet nicht wieder heraus. Da ist eine Reise besser. Zum Beispiel in die Toskana. Machen die Künstler schon seit der Kreidezeit. Man mietet sich ein Haus mit einem Ausblick auf den Weinberg, man schreibt, malt, was auch immer. Aber nach einer Woche ist Schluss. Man verfällt dem Dolce Vita und fragt sich: Wozu schreiben, wenn man leben kann? Schon wieder kein Horizont erweitert. So gesehen kann man gleich zu Hause bleiben und es vor Ort versuchen. Zum Beispiel sich unter das Volk mischen. Schließlich sind unsere Mitmenschen des Autors liebstes Arbeitsmaterial. Manche Autoren fahren deshalb stundenlang mit der Straßenbahn. Andere gehen ins Beisl. Einige Spezialisten besuchen gleich Friedhöfe, um sich mit dem Endresultat vertraut zu machen.

Aber manchmal hat der Autor Glück, und er landet auf dem Markt als Äpfelverkäufer. Von diesem Tag an wird sein Horizont erweitert. Und zwar Stück für Stück. Oder besser gesagt Schock für Schock. Da wäre das frühe Aufstehen. Er muss schon um 7.30 Uhr aus dem Bett. Dann kommt der Pflicht-Bandscheibenvorfall von einer Kiste Gala-Äpfel. Ab da geht es aufwärts. Der Autor steht täglich im Freien, atmet Luft ein, die nach Lavendel und Majoran duftet. Oder Käse. Gleich gegenüber verkauft nämlich der erste „Millionenshow“-Gewinner Emmentaler aus Vorarlberg. Der Majoran-Duft kommt vom Biostand. Dort bieten drei blasse Biomädchen vegane Karotten an und sind ein bisschen geldgierig. Lustig sind auch die frenetisch-sympathischen Polinnen daneben. Sie bringen österreichische Mohnzelten unter das Volk. Aber nichts überbietet seinen Apfelstand. Da ist Sveta, die Philosophie studiert und Kopfrechnen kann wie Einstein. Und natürlich der Chef. Pünktlich um zwölf kommt er mit einem Bier und sorgt für gutes Arbeitsklima. Mit einem „Sei nett zu den Kunden, dann bekommst du ein Kilo Äpfel gratis“, erobert er das Autorenherz im Sturm.

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