Weil bei SPÖ und ÖVP Kalkül bis heute wichtiger ist als Haltung.
Der Historiker Oliver Rathkolb hat die Gründung der FPÖ einmal als den eigentlichen „Sündenfall der Zweiten Republik“ beschrieben. Zu Recht. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg hätte man auch verhindern können, dass sich Ex-Nazis in einer Bewegung sammelten. Aber die SPÖ unterstützte 1949 die Parteiwerdung der FPÖ, weil sie hoffte, das bürgerliche Lager zu spalten. Kalkül war ihr wichtiger als Haltung. Das ist bis heute so geblieben, in der SPÖ wie der ÖVP. Die Frage „Machen wir es mit den Blauen?“ war beim Koalitionspoker stets wichtiger als Programmatik, wie das Beispiel Niederösterreich gerade wieder beweist.
Trotzdem blieb die FPÖ über Jahrzehnte eine Randerscheinung, daran änderte auch eine gern verdrängte erste Regierungsbeteiligung von 1983 bis 1986 unter einem SPÖ-Kanzler nichts. Erst 1986, mit dem talentierten Populisten Jörg Haider an der Spitze, wurde sie richtig groß. Zur Jahrtausendwende schwoll sie auf 27 Prozent an – jene Größe, die sie in Umfragen nach der großen Fluchtbewegung 2015 und jetzt wieder erreicht.