Der Industrielle und Ex-Finanzminister Hannes Androsch über Inflation und Energiepreisschock der 1970er-Jahre und die Reaktion der damaligen Regierung darauf.
Die Lage ähnelt derzeit in vielen Bereichen den 1970er-Jahren. Es gab einen Energiepreisschock, die Inflation ist hoch, und die Löhne steigen stark, auch, weil es zunehmend einen Arbeitskräftemangel gibt. Wiederholt sich hier gerade die Geschichte?
Hannes Androsch: In vielen Punkten sind wir heute in einer ähnlichen Situation. Die Reaktion darauf war damals jedoch eine andere. Wir hatten damals zwar keine Pandemie und ihre Folgen, aber es gab große währungspolitische Turbulenzen durch den Zerfall des Systems fixer Wechselkurse von Bretton Woods im August 1971. Allerdings haben wir darauf nicht mit Schmerzmitteln in Form staatlicher Ausgleichszahlungen reagiert, sondern gesehen, dass man eine Angebotslücke nur mit mehr Effizienz oder alternativen Beschaffungsmöglichkeiten ausgleichen kann. Wenn bei einer Angebotslücke hingegen die Nachfrage erhöht wird, dann steigen nur die Preise, und man erhält Zweitrundeneffekte, etwa über die Lohnerhöhungen. Die Situation wird also verschärft anstatt verbessert. Und da das noch dazu um den Preis von Unsummen geschieht, die ziel- und wahllos ausgegeben werden, wird das Folgen haben. Heuer wird in einem Jahr ein Defizit in einer Größenordnung gemacht, das es früher in zehn Jahren nicht gab.
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Sie haben gerade die Schulden angesprochen. Die 1970er-Jahre gelten als jenes Jahrzehnt, in dem die große Staatsverschuldung erst begonnen hat. Sie waren damals der verantwortliche Finanzminister. Wie sehen Sie diesen Vorwurf?
Das ist ein Unsinn. Wenn wo gespart wird, müssen diese Ersparnisse auch irgendwann für etwas verwendet werden. Diese Vorgangsweise geht nur bei Privaten. Betriebe sollen hingegen investieren. Und auch der Staat ist ein großer Investor im Wirtschaftskreislauf, weshalb es auch Sinn ergibt, wenn dieser in die Zukunft investiert. Und das haben wir damals im großen Ausmaß auch getan. Heute gehen die staatlichen Ausgaben jedoch vor allem in den Konsum und nicht mehr in Bereiche wie die Grundlagenforschung oder Bildung, wo es mehr Investitionen brauchte.
Ein Grund dafür, dass heute so viel der staatlichen Ausgaben in den Konsum fließt, ist der demografische Wandel. Es gibt heute einfach deutlich mehr ältere Menschen in Österreich, die Pensionen erhalten.