Interview

Joschka Fischer: „Europa wird gerade zu einer Macht“

Der ehemalige deutsche Außenminister Joschka Fischer: „Der Krieg wird chaotische Folgen haben, sowohl für die Ukraine als auch für Russland.“
Der ehemalige deutsche Außenminister Joschka Fischer: „Der Krieg wird chaotische Folgen haben, sowohl für die Ukraine als auch für Russland.“ Jonas Holthaus/laif
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Der deutsche Ex-Außenminister Joschka Fischer und der bulgarische Starpolitologe Ivan Krastev über den Ukraine-Krieg, den radikalen Wandel, vor dem die EU steht, und die Gefahr eines Kalten Krieges zwischen China und dem Westen.

Danke, dass Sie zu dem Gespräch bereit sind. Karl Schwarzenberg war es ein großes Anliegen, dass Sie gemeinsam analysieren, welche geopolitischen Auswirkungen der Ukraine-Krieg hat, insbesondere auf die EU. Lassen Sie mich zu Beginn fragen: Was halten Sie für das wahrscheinlichste Szenario, wie der Krieg endet?

Joschka Fischer: Ich habe, ehrlich gesagt, keine Vorstellung, wie und wann dieser Krieg endet. Aber ich denke, der Krieg wird chaotische Folgen haben, sowohl für die Ukraine als auch für Russland. Und die große Frage für uns alle wird sein, was mit Russland in einer Post-Putin-Ära geschieht. Das wird Europa für eine lange Zeit vor große Herausforderungen stellen.
Ivan Krastev: Ich glaube nicht, dass es am Ende eine Kapitulation wie nach dem Zweiten Weltkrieg oder einen Friedensvertrag wie nach dem Ersten Weltkrieg geben wird, sondern einen Waffenstillstand wie nach dem Korea-Krieg 1953. Das Timing ist schwer vorherzusagen. In den ersten Kriegsmonaten war Russland stark daran interessiert, den Konflikt lokal einzugrenzen und möglichst schnell zu beenden. Mit der Mobilisierung im Herbst ging die Spezialoperation in einen totalen Krieg über. Nun ist vor allem die Ukraine an einem schnellen Ende des Krieges interessiert. In seiner Rede an die Nation klang der russische Präsident Wladimir Putin neulich, als verspräche er einen niemals endenden Krieg. Er sprach nicht über Frieden oder Sieg, sondern sagte den russischen Soldaten zu, alle sechs Monate zwei Wochen mit ihren Familien verbringen zu können. Was mir Sorge macht: Je länger der Krieg dauert, desto globaler wird die Dimension.

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