Gastkommentar

Gecko: Vom Novum zum Role Model?

Covid. Österreich kommt Stück für Stück aus dem Krisenmodus. Daher ist die Gecko nun Geschichte. Doch was bleibt von ihr für die Zukunft?

Zur Person

Stefan Rakowsky leitet seit März 2022 die Geschäftsstelle der Gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination (Gecko) im Bundeskanzleramt. Er ist promovierter Psychologe und Oberst im Österreichischen Bundesheer. Vor seiner Tätigkeit bei Gecko war Rakowsky im Verteidigungsministerium in der strategischen Kommunikationsabteilung für empirische Sozialforschung zuständig.

Die Gecko, die Gesamtstaatliche Covid-Krisenkoordination, wurde im Dezember 2021 als sogenannte § 8-Kommission im Bundeskanzleramt eingesetzt. Gecko war zu diesem Zeitpunkt nicht das erste Gremium in Österreich, das sich mit der Pandemie beschäftigte. Aber das erste mit gesamtstaatlichem Ansatz. Anstatt vieler Einzelmeinungen, die bis Ende 2021 über diverse Kanäle an unterschiedliche Entscheidungsträger adressiert waren, wurde mit Gecko ein multidisziplinäres und transparentes Gremium nach internationalem Vorbild geschaffen.

Anerkannte Experten aus dem Bereich Virologie, Epidemiologie, Recht, Ethik, Krisenmanagement, Psychologie und anderen Disziplinen arbeiteten nun aufgrund eines festgelegten Prozederes zusammen. Zwölf Arbeitsgruppen bearbeiteten zentrale Themen der Pandemie wissenschaftlich fundiert und diskutierten die jeweils aktuelle Lage in regelmäßigen Sitzungen – offen kritisch, aber stets wertschätzend und respektvoll.


Gerade der gesamtstaatliche Ansatz sorgte für viel Aufsehen in der medienöffentlichen Debatte. Fehlende Unabhängigkeit wurde befürchtet, weil etwa Interessenvertretungen wie beispielsweise Apotheker- und Ärztekammer oder die Sozialpartner ihren Einfluss geltend machen könnten. Die Einbindung der Länder in das Gremium stand ebenfalls in der Kritik. Aber gerade dieser gesamtstaatliche Ansatz hat dazu geführt, dass unterschiedliche Meinungen in einem institutionalisierten Austausch diskutiert werden konnten und letztlich in gemeinsam erarbeitete Empfehlungen mündeten.

Direkter Austausch

Genau diese Zusammensetzung, die Einbindung vieler unterschiedlicher Partikularinteressen und die gemeinsame Diskussion zum Wohl der österreichischen Bevölkerung waren Basis und Besonderheit des Gremiums. Das Ergebnis: Unmittelbarer, direkter Austausch unterschiedlicher gesellschaftlicher Akteure und gegenseitige Selbstkontrolle bereicherten nicht nur die Arbeit innerhalb der Gecko, sondern auch deren Output. Die Möglichkeit zum institutionalisierten Austausch von Wissenschaftlern, Krisenmanagern, Experten aus den Fachressorts verschiedener Ministerien, Sozialpartnern und Interessenvertretungen stellte ein Novum in Österreich dar. Mut zu Innovation, der sich gelohnt hat.
Die Positionen, Einschätzungen und Empfehlungen der Gecko waren Mosaiksteine unter vielen, die die politischen Entscheidungsträger im Pandemiemanagement berücksichtigen mussten und berücksichtigt haben. Für die Kommissionsmitglieder war mitunter schwer erkennbar, welchen Weg ihre Empfehlungen eingeschlagen hatten. Aber ohne ihre Mosaiksteine wäre das Gesamtbild weniger detailreich gewesen.

Warum so ein abruptes Ende?

Warum aber trotz der Erfolgsstory ein so abruptes Ende? Die Republik hat sich Stück für Stück aus dem Krisenmodus herausbewegt. Viele Maßnahmen wurden erst gelockert und dann entsprechend der epidemiologischen Lage eingestellt. Die Beratungsleistung von Gecko wurde immer geringer – nicht weil die Experten nicht mehr wollten oder konnten, sondern weil die akute Krise vorbei ist. Die Fragestellungen an die Kommission beschränkten sich zunehmend auf die Beobachtung der pandemischen Lage. Damit konnte das Gremium seine ursprüngliche, interdisziplinäre Kraft nicht mehr voll entfalten. Letztendlich hat dies zum mehrheitlichen Entschluss der Mitglieder geführt, dem Bundeskanzler die Beendigung vorzuschlagen, den dieser auch annahm. Darüber hinaus gab es auch individuelle Gründe einzelner Mitglieder, wie Zeitnot oder politische Entwicklungen.

Was bleibt nun von Gecko für die Zukunft? Die Mitglieder der Gecko-Kommission haben viele Hundert Stunden ehrenamtlicher Tätigkeit für die Republik erbracht. Dafür gebührt ihnen großer Dank. Learnings aus dieser einschneidenden Zeit gibt es viele – insbesondere im Hinblick auf mögliche zukünftige Beratungsgremien. Allen voran: volle Transparenz.

Online veröffentlichte Reports

Das betrifft die klare Definition und Offenlegung der „Spielregeln“ ebenso wie die für alle abrufbare Ergebnisdarstellung, also die online veröffentlichten Reports. Damit auch für Mitglieder von Beratungsgremien stets klar ist, wie die Politik mit ihrem Input weiterarbeitet, wäre für zukünftige Beratungsgremien eine standardisierte Feedbackschleife in der internen Kommunikation wertvoll.

Neben absoluter Transparenz ist die wissenschaftliche und damit auch parteipolitische Unabhängigkeit essenziell. Die Gesamtstaatlichkeit und Interdisziplinarität haben sich in der Arbeit von Gecko bewährt. Ähnlich aufgestellte Beratungsgremien könnten etwa im Rahmen der Umsetzung eines künftigen Krisensicherheitsgesetzes zu unterschiedlichen Themen eingesetzt werden.

Denn gerade die Pandemie hat deutlich gezeigt, in wie viele Lebensbereiche eine Krise hineinreichen kann. In komplexen Krisen sind die Zusammenarbeit verschiedenster wissenschaftlicher Fachbereiche und ein gesamtstaatlicher Ansatz gefragt. Gecko stellte einen Quantensprung im Bereich der evidenzbasierten Politikberatung dar und sollte, unter Beachtung der oben genannten Grundsätze, als Role Model für zukünftige Beratungsgremien dienen.

E-Mails an: debatte@diepresse.comGastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

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