Bedrängte Insel

Taiwan und die Lehren aus dem Krieg in der Ukraine

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Pekings Drohungen gegen Taiwan werden immer schriller. Doch Taipeh erfährt derzeit viel Solidarität aus dem Westen.

DER AUTOR

Burkhard Bischof war viele Jahre Außenpolitikexperte der „Presse“ und langjähriger Leiter des
Debattenressorts.

Das chinesische Außenministerium kommt aus dem Ausländische-Botschafter-ins-Amt-Zitieren und heftigen Protestieren, weil gerade wieder Amtsträger aus ihren Ländern in Taipeh aufgetaucht sind oder einen Besuch planen, nicht mehr heraus. Nahezu 200 ausländische Regierungsvertreter und Parlamentarier haben 2022 Taiwan besucht. Und der Besucherstrom reißt auch in diesem Jahr nicht ab.

Zuletzt führte die deutsche Forschungsministerin, Bettina Stark-Watzinger (FDP), Gespräche in Taipeh und erregte so den Zorn der chinesischen Kommunisten. Ungeachtet scharfer Warnungen aus Peking führt die Präsidentin des tschechischen Abgeordnetenhauses, Markéta Pekarová Adamová, gerade eine 150 Köpfe starke Delegation aus Wirtschaftstreibenden und Wissenschaftlern an, die fünf Tage in Taiwan weilt. Tschechiens neuer Präsident, Petr Pavel, hat nach seiner Wahl mit Taiwans Präsidentin, Tsai Ing-wen, telefoniert – auch das in Pekings Augen ein Affront. Nur im österreichischen Nationalrat herrscht, was Kontakte zu Taiwan betrifft, so wie meist in ähnlich heiklen Angelegenheiten bis jetzt das gewohnte Schweigen im Walde.
Dabei hat Taiwan infolge von Druck und finanziellen Lockangeboten vor Kurzem einen weiteren Partner verloren, mit dem es diplomatische Beziehungen unterhielt. Honduras kündigte an, künftig mit der Volksrepublik China offizielle Beziehungen zu pflegen. Einen Tag, bevor Präsidentin Xiomara Castro den Kurswechsel ankündigte, verlangte Honduras von Taipeh finanzielle Hilfe in Höhe von 2,5 Milliarden Dollar – obwohl das Land Taiwan ohnedies bereits 600 Millionen Dollar schuldet. Peking zeigt sich offenkundig bereitwilliger, das Scheckheft zu zücken, und Honduras tappt geradewegs in die chinesische Schuldenfalle.



Taiwan hat somit nur noch mit 13 Staaten diplomatische Beziehungen. Seit Tsai Ing-wen 2016 das Präsidentenamt antrat, haben neun Staaten aufgrund von Chinas Drängen die Seiten gewechselt, fünf davon in Mittelamerika beziehungsweise in der Karibik. In der ersten Aprilwoche besucht Tsai Belize und Guatemala, um diese letzten Partner in Zentralamerika bei der Stange zu halten.
Vorher nimmt sie Termine in New York und danach in Los Angeles wahr. Laut Presseberichten will sie in Kalifornien mit dem Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, zusammentreffen. McCarthy wollte eigentlich wie seine demokratische Vorgängerin Nancy Pelosi nach Taipeh reisen. Angeblich ist den Taiwanern aber eine Begegnung in den USA lieber, um nicht schon wieder wütende chinesische Blockadeübungen und Serien von Raketentests zu provozieren – so wie im vergangenen Spätsommer.

Taipeh wird den Verlust von obskuren Partnern wie Nicaragua oder Honduras verkraften, die Taiwan in erster Linie als einen Bankomaten ansahen. Viel wichtiger ist, dass immer mehr Repräsentanten aus Europa, den USA, Japan oder Australien in Taiwan auftauchen, um ihre Solidarität mit der schwer unter militärischem, diplomatischem und wirtschaftlichem Druck der Volksrepublik China stehenden Insel zu bekunden. Insbesondere der Überfall Russlands auf die Ukraine hat diesen Besucherstrom anschwellen lassen, zumal es auffallende Parallelen der Erpressung und Drangsalierung der beiden Länder durch ihre übermächtigen Nachbarn gibt.

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