Leitartikel

Es ist Zeit, den ORF in die Unabhängigkeit zu entlassen

Die ?ZIB? kommt ab sofort aus dem neuen TV-Studio im multimedialen Newsroom
Die ?ZIB? kommt ab sofort aus dem neuen TV-Studio im multimedialen Newsroom(c) ORF (Thomas Ramstorfer)
  • Drucken
  • Kommentieren

Die Politik unterliegt einem gefährlichen Irrtum: Nicht am Gängelband nutzt der ORF ihr am meisten, sondern als neutraler Sender nach Vorbild der BBC.

Es war ein bisschen wie beim Kartenspiel: Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) hielt bei den Verhandlungen um die neue Finanzierung des ORF den Trumpf in der Hand, sie hat die politische Macht. Aber auch die Karten des Generaldirektors, Roland Weißmann, der auf einem ÖVP-Ticket zum Spitzenposten kam, waren nicht schlecht. Das Radio-Symphonieorchester war eine. ORF Sport+ eine andere. Ö1, FM4, sogar ORF III hätte man auch einsetzen können. Und wenn es hart auf hart gekommen wäre, gibt es immer noch die Karte „Landesstudios“. Die Regionalität im ORF ist vor allem, aber nicht nur der türkis-schwarzen Landeshälfte eine Herzensangelegenheit. So weit musste Weißmann doch nicht gehen.

Das Spiel mit Druck und Gegendruck, mit öffentlichen Aufschreien und Seitenhieben Richtung ORF ist beendet – zumindest vorerst. Am Schluss gab es das politische Ja zur Haushaltsabgabe aka „ORF-Beitrag“ statt der GIS-Gebühr, das Raab dem nicht eingeweihten Weißmann quasi als Parallelveranstaltung zum gleichzeitig stattfindenden Stiftungsrat verkündete. Der Preis war (mindestens) ein hartes Sparpaket.


Der Entscheid des Verfassungsgerichtshofs aus dem Vorjahr, dass dem ORF auch Geld zusteht, wenn seine Inhalte „nur“ gestreamt werden, erwies sich also durchaus als Danaergeschenk für den Öffentlich-Rechtlichen. Mehr Geld wird es nicht geben, trotz Weißmanns Klagen, dass die jährlichen rund 700 Millionen Euro nicht ausreichen. Zwar werden die strengen Regeln für die Internetauftritte gelockert, insbesondere auf sozialen Medien und in der TVthek. Aber auch das ließ sich die Politik (im Sinne der Verleger) abkaufen, soll doch die Anzahl der Meldungen auf ORF.at begrenzt werden.

Ohne automatische Indexanpassung wird der ORF-Chef – wie bisher – alle paar Jahre bei der Politik bitten gehen müssen, und es wird wieder gefeilscht werden um Geld, Einfluss und Posten am Küniglberg. Das Spiel, das hier gespielt wird, ist ein unwürdiges und gefährliches, bei dem die Politik einem fatalen Irrtum unterliegt: Sie will möglichst viel Einfluss im ORF und untergräbt in Angst, selbst medial schlechter dazustehen als der politische Mitbewerb, die Glaubwürdigkeit des größten Medienhauses mit Untergriffen und in Sidelettern festgehaltenen (Personal-)Wünschen. Damit schadet sie sich letztlich selbst. Wenn die Politik aus dem Skandal um den ORF-Niederösterreich, dessen Direktor Robert Ziegler für die Landesregierung intervenierte, eines hätte lernen sollen, dann doch dies: Einen Wahlerfolg garantiert auch Omnipräsenz in der wichtigsten regionalen TV-Sendung keineswegs. Wer Qualitätsmedien und Öffentlich-Rechtliche schwächt, treibt Wähler obskuren bis gefährlichen „Medien“ auf Telegram und Co. zu. Davon profitieren vor allem Vertreter von Extrempositionen. Ein Schaden für die Demokratie.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Gerald Grünberger ist Geschäftsführer des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ).
Interview

Medienmarkt: "Es droht ein dramatischer Kollaps"

Gerald Grünberger vom Verlegerverband ortet „Unverständnis“ in der Politik für den Medienmarkt. Er befürchtet, dass der ORF mit mehr Beiträgen und im Digitalbereich gestärkt wird. Ein „Kahlschlag“ sei nicht auszuschließen.
Wie reagieren die Länder auf die kommende Haushaltsabgabe?
Medien

ORF-Beitrag: Auch Salzburg will die Landesabgabe abschaffen, Wien evaluiert

Sieben Bundesländer heben mit der GIS jährlich viele Millionen für das eigene Budget ein. Niederösterreich kündigte an, das "Körberlgeld" abzuschaffen. Salzburgs Landeshauptmann will - nach der Wahl -  folgen. Und Wien bald entscheiden.
Wiener Zeitung Wien, 24. 04. 2021 Wiener Zeitung - die �lteste Zeitung der Welt *** Wiener Zeitung Vienna, 24 04 2021 Wi
Medien

"Wiener Zeitung"-Redaktion will Anteil vom ORF-Beitrag

25 Cent pro Haushalt und Monat sollen den Fortbestand der "Wiener Zeitung“ sichern, wünschen sich die Redakteure. Denn der ORF dürfte mit der Abgabe ohnehin einen Überschuss erzielen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.