Drohkulisse

Wladimir Putins atomarer Einschüchterungsversuch

Wladimir Putin
Wladimir Putin(c) Getty Images (Matthew Stockman)
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Ukraine reagiert mit Empörung auf Moskaus Ankündigung, Kernwaffen in Belarus zu stationieren. Der Kremlchef will Kiew und die Europäer mürbe machen.

Wien/Moskau. Es ist ein wichtiger Teil der psychologischen Kriegsführung des Kreml. Um Stärke gegenüber der eigenen Bevölkerung zu demonstrieren und die Gegner im Ausland einzuschüchtern, macht Präsident Wladimir Putin immer wieder deutlich, dass Russland eine Atommacht ist. Nun hat er angekündigt, taktische Nuklearwaffen nach Belarus zu verlegen, wo mit dem Autokraten Alexander Lukaschenko ein Verbündeter Putins herrscht. Belarus ist ein Nachbarland der Nato-Staaten Polen, Litauen und Lettland. Und an der Südgrenze von Belarus liegt die Ukraine.

Russlands Streitkräfte haben den von Lukaschenko regierten Staat bereits als Aufmarschgebiet für ihre Angriffe auf die Ukraine genutzt – damals, als sie zu Beginn ihrer Invasion vor mehr als einem Jahr versucht hatten, von Norden her in die ukrainische Hauptstadt Kiew vorzudringen. Und auch für Luftschläge gegen ukrainische Städte nutzte Russland das Hoheitsgebiet von Belarus.

Aus der ukrainischen Hauptstadt Kiew kamen am Sonntag harsche Reaktionen auf die Ankündigung Putins, taktische Atomwaffen zu stationieren: Russland missbrauche sein Nukleararsenal erneut als „Instrument für Drohungen und Einschüchterung“, hieß es aus dem ukrainischen Außenamt. Kiew forderte deshalb eine rasche Sitzung des UN-Sicherheitsrates und stellte klar: Man erwarte wirksame Schritte der übrigen ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates, um die „nukleare Erpressung“ durch Russland zu beenden. „Der Kreml hat Belarus als nukleare Geisel genommen“, kritisierte der Sekretär des ukrainischen Sicherheits- und Verteidigungsrats, Oleksij Danilow, auf Twitter. Und er warf Putin vor, damit auch Belarus zu destabilisieren.

„Russland als Besatzungsmacht“

Die Opposition in Belarus zeigte sich denn auch empört über die geplanten Schritte des Kreml: Die Stationierung russischer Atomwaffen verstoße gegen die Verfassung von Belarus, schrieb Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja auf Twitter. „Russland tritt als Besatzungsmacht auf, verletzt die nationale Sicherheit und bringt Belarus auf Kollisionskurs mit seinen Nachbarn und der internationalen Gemeinschaft.“ Tichanowskaja wurde in Belarus in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft verurteilt und lebt deshalb im Exil.

Auch ein Sprecher der Nato übte deutliche Kritik an der Ankündigung Putins: Die russische Nuklear-Rhetorik sei „gefährlich und unverantwortlich“, die Allianz beobachte die Lage genau. Zugleich wies die Allianz Vergleiche des Kreml mit dem Verhalten der Nato zurück.

USA lagern Atomwaffen in Europa

Russland argumentiert seine jüngsten Atompläne unter anderem damit, dass die USA nach wie vor taktische Atomwaffen in Europa gelagert hätten. Diese amerikanischen Nuklearwaffen befinden sich etwa in Deutschland oder Italien und würden im Ernstfall unter anderem von Kampfflugzeugen zum Einsatz gebracht. Sie sind quasi ein Relikt des Kalten Krieges und wurden seither nicht abgezogen. Die Nato-Staaten Großbritannien und Frankreich verfügen zudem über ihre eigenen Atomarsenale.

Auch Russland hat in Europa Nuklearwaffen stationiert, jedoch bisher nicht außerhalb der eigenen Staatsgrenzen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion hatten die Ukraine und auch Belarus die sowjetischen Kernwaffen auf ihrem Gebiet an Russland abgegeben. Doch nun würden – wie von Putin angekündigt – erneut russische Atomsprengköpfe nach Belarus verlegt werden. Diese taktischen Atomwaffen haben eine Reichweite von mehreren Hundert Kilometern.

Der Kremlchef gab bekannt, bereits am 1. Juli würden die Schächte für russische Kurzstreckenraketen fertiggestellt sein, die dann mit Nuklearsprengköpfen bestückt werden können. Zudem habe man Belarus bei der Umrüstung von zehn Flugzeugen geholfen. Diese hätten damit die Fähigkeit erhalten, Atomwaffen zum Einsatz zu bringen, warnte Putin.

Die USA reagierten auf die neue russische Atomdrohkulisse vorerst mit Zurückhaltung. Sie verzichteten zunächst auf die Ankündigung möglicher Gegenmaßnahmen. Fazit in Washington: Man gehe nicht davon aus, dass sich durch die Ankündigung Putins etwas an der atomaren Bedrohungslage in Europa verändere.

Der Kremlchef sieht seinen neuen Schritt wohl ohnehin als weitere Aktion in seinem psychologischen Abnutzungskrieg. In der Hoffnung, damit vor allem die Europäer auf Dauer mürbe zu machen.

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