Stillstand

Deutschlands größter Streik seit 1992 brachte kein Chaos in Österreich

"Cancelled": Weite Teile des öffentlichen Nahverkehrs, Flughäfen und Schiffsverkehr sind vom streik betroffen.
"Cancelled": Weite Teile des öffentlichen Nahverkehrs, Flughäfen und Schiffsverkehr sind vom streik betroffen.APA/AFP/CHRISTOF STACHE
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Seit Montagfrüh hat ein Großstreik den öffentlichen Verkehr in Deutschland weitgehend lahmgelegt. Der Streik hat auch in Österreich massive Auswirkungen, ein Chaos blieb bisher aber aus.

In ganz Deutschland stehen seit Mitternacht Züge, Busse und Flugzeuge still. Der 24-stündige Warnstreik führt auch in Österreich zu massiven Beeinträchtigungen im Bahn- und Flugverkehr. Betroffen sind etwa alle Zugverbindungen über das Deutsche Eck. Züge von und nach Deutschland werden kurzgeführt oder fallen aus. Nach Auskunft des Wiener Flughafens fallen heute auch alle Flugverbindungen zwischen Wien und München, Frankfurt, Nürnberg und Stuttgart aus. Ein Chaos blieb aus.

Auf der Schiene wird der Fernverkehr am Montag komplett und der Regionalverkehr größtenteils eingestellt. Bestreikt werden nahezu sämtliche deutsche Flughäfen, nicht aber der Berliner Airport. Wasserstraßen und Häfen sowie die Autobahngesellschaft sind ebenfalls betroffen. Der Münchner Flughafen wurde bereits am Sonntag bestreikt, alle zwölf Flüge zwischen München und Wien fielen aus.

Pendler reisen bis zu drei Stunden länger

In Österreich hat der Streik ebenfalls massive Auswirkungen. Züge von und nach Deutschland werden kurzgeführt oder fallen aus. Betroffen sind zudem alle Zugverbindungen über das Deutsche Eck. Ein Pendelverkehr im Zweistundentakt wird eingerichtet. Fahrten können bis zu drei Stunden länger dauern.

Trotz Warnstreiks in Deutschland ist das geschäftige Frühverkehrstreiben am Innsbrucker Hauptbahnhof am Montag fast wie gewohnt über die Bühne gegangen. Laut ÖBB Tirol funktionierten die Abläufe reibungslos. Am Salzburger Hauptbahnhof ging es Montagfrüh und am -vormittag deutlich ruhiger als gewohnt zu. Das befürchtete Chaos durch den Streik in Deutschland blieb zunächst aus, wie auch ein Lokalaugenschein zeigte.

"Die Pendler im Nahverkehr dürften gut vorbereitet gewesen sein, die Schienenersatzverkehre werden gut angenommen", sagte der Salzburger ÖBB-Sprecher Klaus Baumgartner. "Wir gehen auch davon aus, dass die Leute die eine oder andere Reise haben ausfallen lassen." Die Bundesbahnen haben sowohl für Pendler nach Freilassing in Bayern Busse bereitgestellt, für Reisende nach Tirol gibt es Ersatzbusse bis nach Wörgl oder eine Umleitung über Zell am See.

Die Abläufe funktionierten aber reibungslos und es sei bisher "relativ ruhig", sagte der ÖBB-Pressesprecher für Tirol und Vorarlberg, Christoph Gasser-Mair. "Wir fahren seit 7.00 Uhr alle zwei Stunden mit Pendelzügen über Zell am See und jede Stunde mit Bussen über das Deutsche Eck", erklärte er. Die damit verbunden Umstiege würden "gut funktionieren". Die Fahrgäste mussten sich aber definitiv auf "längere Reisezeiten" einstellen - bis zu drei Stunden.

Zahlreiche Flüge fallen aus

Auch viele Flugverbindungen mit dem Nachbarland fallen aus. Nach Auskunft des Wiener Flughafens werden am Montag alle Flugverbindungen zwischen Wien und München, Frankfurt, Nürnberg und Stuttgart gestrichen. Weiters gibt es auch einzelne Ausfälle bei Flugverbindungen von und nach Düsseldorf, Hamburg und Köln - insgesamt sind das 28 Hin- und 27 Rückflüge von und zu diesen Destinationen.

Gestrichen wurden auch die Flüge zwischen Salzburg und Frankfurt sowie Köln, ebenso alle drei Flugverbindungen zwischen Innsbruck und Frankfurt und jeweils zwei Hin- und Rückflüge zwischen Linz und Frankfurt. Allen Reisenden wird empfohlen, sich bei ihrer Airline oder ihrem Reiseveranstalter bezüglich ihrer Flugreise zu erkundigen. Eine Übersicht über aktuelle Ankünfte und Abflüge bieten auch die Homepages der jeweiligen Airlines und der Flughäfen.

Auswirkungen wohl bis Dienstag spürbar

Auch am Dienstag dürften die Auswirkungen des Warnstreiks noch zu spüren sein. Im Fernverkehr der Deutschen Bahn etwa werde es dauern, bis die ICE- und IC-Züge wieder dort sind, wo sie gebraucht werden. Es sei daher vor allem zu Beginn des Tages weiter mit Zugausfällen zu rechnen, teilte die Bahn mit. Auch an den Flughäfen sind Auswirkungen noch am Dienstag möglich.

Mit den Warnstreiks wollen die deutsche Gewerkschaft Verdi und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) den Druck bei den laufenden Lohnverhandlungen erhöhen. "Alle, wirklich alle Mitglieder, die wir heute zum Arbeitskampf aufgerufen haben, beteiligen sich an diesem Streik", sagte Verdi-Chef Frank Werneke zum Start der dritten Verhandlungsrunde am Montag in Potsdam. "Es ist einfach Druck auf dem Kessel, weil die Beschäftigten es leid sind, sich jeden Tag mit warmen Worten abspeisen zu lassen, während die Arbeitsbedingungen immer schlechter werden und viele Stellen unbesetzt sind."

Die deutschlandweiten Warnstreiks im Verkehrssektor sind aus Sicht des Vorsitzenden der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Martin Burkert, "notwendig und verhältnismäßig". "Es geht jetzt darum, dass diese Branche nicht abgehängt werden darf von der allgemeinen Lohnentwicklung", sagte Burkert am Montag in Potsdam.

Größter Streik seit 1992 soll Druck in Lohnverhandlungen machen

Mehr als 400.000 Streikende in allen Verdi-Bereichen beteiligten sich an den Warnstreiks, das sei die größte Beteiligung seit Jahrzehnten, so Werneke. Verdi sprach vom größten Streik seit 1992. Neben dem öffentlichen Verkehr hatte Verdi auch Horte, Kliniken, Verwaltungen und viele andere Bereiche bestreikt. Das bringe "eine klare Botschaft mit an den heutigen Verhandlungstisch": Die Beschäftigten fänden das bisherige Angebot der Arbeitgeber inakzeptabel. Werneke sagte, Verdi wolle in der bis Mittwoch angesetzten Verhandlungsrunde ein Ergebnis erzielen. "Das setzt voraus, dass sich die Arbeitgeber bewegen."

Ungeachtet der umfassenden Warnstreiks setzte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) auf eine baldige Lösung im Tarifstreit um den öffentlichen Dienst. "Viele, auch im öffentlichen Dienst, leiden dieser Tage unter den hohen Energiepreisen, unter der hohen Inflation", sagte Faeser unmittelbar vor der dritten Verhandlungsrunde für Bund und Kommunen am Montag in Potsdam. "Deswegen ist es auch unsere Aufgabe, gemeinsam einen guten Abschluss zu finden."

Wer zu Ostern eine Zugreise gebucht oder geplant hat, die auch über Deutschland führt, kann beruhigt sein: Im laufenden Tarifkonflikt plant die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) nach eigenen Angaben keine Warnstreiks über die Feiertage. "Da wir nicht die Reisenden bestreiken wollen, sondern die Arbeitgeber, können wir mitteilen, dass wir über Ostern nicht verhandeln werden und damit auch nicht streiken."

(APA/dpa/Reuters)

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