Hass ist klar negativ konnotiert: Ein Gefühl ist aber niemals per se gut oder böse, sagt Şeyda Kurt.
Serie: Gefühlssache

Kann Hass auch Gutes?

Hass ist klar negativ konnotiert. Die Autorin Şeyda Kurt sieht in ihm auch ungewöhnlich Produktives. Mit einem Buch will sie ihn aus der Ecke des Verpönten herausholen.

Im alltäglichen Sprachgebrauch ist Hass das Gegenteil von Liebe. Das Böse zum Guten, das Hässliche zum Schönen. Der Hass und die Hässlichkeit teilen sich sogar den Wortstamm, ein verrufenes Zwillingspaar, schreibt Journalistin Şeyda Kurt in ihrem erst kürzlich erschienenen Buch „Hass - Von der Macht eines widerständigen Gefühls“. Wem es paradox erscheint, dass ausgerechnet die Autorin von „Radikale Zärtlichkeit“, einem Buch, das - wie der Name sagt - weitgehend von der Zärtlichkeit und der Liebe handelt, ein weiteres dem Hass widmet, hat das erste Buch vermutlich nicht gelesen. Oder die Autorin falsch verstanden. 

Denn mit erwähnter Binarität, der guten Liebe versus dem bösen Hass, will Kurt in ihren Werken brechen. Ein Gefühl per se ist für die Autorin niemals gut oder böse, Liebe kann demnach nicht die alleinige Antwort auf alles sein. „Auch der Hass hat viele Spielformen und manchmal ist der Hass gut, gemessen an meinen politischen Visionen“, sagt Kurt gegenüber der „Presse“. Aus ihren Visionen macht die Autorin keinen Hehl, sie ersehnt sich eine Welt frei von Rassismus, dem Patriarchat, Queerfeindlichkeit, eine Welt frei von Ausbeutung für alle Menschen. Hass sei bis dahin auch ein Mittel, um sich gegen die Ungerechtigkeiten zu wehren. Hass als Selbstverteidigung, als Widerstand. Dabei geht es um „politischen Hass“, wie Kurt ihn nennt, in erster Linie von marginalisierten Gruppen. Nicht um jenes Verb, das ringsum zu inflationär verwendet wird, etwa wenn jemand sagt, er oder sie hasse Montage. Oder weiße Socken.

Von unten gehasst, von oben verachtet

„Was dem politischen Hass und dem lapidaren Hass im Alltag gemeinsam ist, ist der körperlicher Widerstand gegen eine Sache. Eine Form von Auflehnung, die vielleicht nicht durchdacht ist, aber es ist jedenfalls ein Nein zu etwas“, sagt Kurt. In ihrem Buch widmet sie sich vor allem den Hassenden, den vielfältigen Praktiken und Zielen des Hassens. „Manche davon sind widerständig und produktiv. Andere isolieren und zerstören.“ Die Frage sei immer, bringt uns der Hass weiter? „Politische Gefühle kommen immer mit Verantwortung daher, auch das Hassen“, betont die Autorin. Den Blick richtet sie dabei auf jene, die selbst jahrelang Zielscheiben des Hasses waren, etwa Schwarze, rassifizierte Menschen, Jüdinnen und Juden, queere Menschen und weibliche. Der rechte Hass, der einem beim Begriff des politischen Hassens in den Sinn kommen mag, spielt im Buch - wenn überhaupt - nur eine sekundäre Rolle. 

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