Gastkommentar

Die Gaskonferenz in Wien ist eine Katastrophe

Ilyess El Kortbi bei einer Kundgebung vor dem Reichstag in Berlin.
Ilyess El Kortbi bei einer Kundgebung vor dem Reichstag in Berlin.Beigestellt
  • Drucken

Ilyess El Kortbi, Sprecher der ukrainischen Fridays For Future-Bewegung, und Michael Spiekermann, Sprecher von Fridays For Future Austria schreiben einen Gastkommentar zur aktuell stattfindenden Europäischen Gaskonferenz in Wien.

In diesen Tagen wird Wien zum Drehkreuz Europas für Gas. Die wichtigsten Akteure der globalen Öl- und Gasindustrie treffen sich zu ihrer jährlichen Versammlung, angetrieben von Geld, Gier und Macht. Vereint hinter verschlossenen Türen schmieden sie Pläne, wie sie aus unbarmherziger Ausbeutung und dem Aufdrängen ihrer fossilen Brennstoffe als Energie an die Menschen noch größeren Reichtum für sich selbst ziehen können.

Gastkommentare und Beiträge von externen Autoren müssen nicht der Meinung der Redaktion entsprechen.

>>> Mehr Gastkommentare

Auch an diesen Tagen stehen die Klimakrise und der Konflikt in Europa im Hintergrund. Wladimir Putins Soldaten und Bomben treffen weiterhin die Häuser und Schulen der Menschen in der Ukraine. Keine Stunde vergeht ohne menschliches Leid, keine Sekunde ohne unsere Gedanken an die verlorenen Leben.

Ich, Ilyess, bin Ukrainer. Als mein Land von Putins Armee angegriffen wurde, floh ich vor dem Krieg. Ich ließ fast mein ganzes Leben zurück. Jetzt lebe ich in Deutschland.

Und ich, Michael, bin in Österreich geboren und aufgewachsen. In meinem Land versuchen die Menschen, die ukrainische Realität von uns fernzuhalten, und die Politiker erzählen uns, dass alles normal sei. Damit versuchen sie zu rechtfertigen, dass Europa weiterhin russisches Gas kauft und verbrennt. Österreich zahlt weiterhin wahnsinnige Summen an Putin, mit denen er auch Panzer und Bomben finanziert.

Es ist aber auch eine Chance für uns

Die Europäische Gaskonferenz 2023 ist per Definition eine Katastrophe. Sie beabsichtigt, das Geschäft mit fossilen Brennstoffen am Leben zu erhalten und ignoriert deren verheerende Folgen für den Planeten und die Menschen. Die Gaskonferenz bietet jedoch auch eine Chance. Wir sollten die Gelegenheit nutzen, um die Rolle von fossilen Brennstoffen als geopolitische Waffe und Klima-Katalysator zu thematisieren. Fossile Brennstoffe verursachen Kriege. Das wissen die Ukrainerinnen und Ukrainer. Wissen Sie das auch?

Ich bin nach Wien gereist, um an diesen Protesten teilzunehmen. Im Marriott Hotel am Wiener Ring trinken die Manager der Gaskonzerne Champagner während sie über das Schicksal meiner Generation verhandeln. Vor dem Gebäude sind meine Freunde, Michael und ich. Wir junge Menschen sind von den Gesprächen ausgeschlossen, obwohl wir diejenigen sind, die die Folgen der Entscheidungen solcher fossilen Zusammenkünfte erben werden. Fossile Brennstoffe sind eine Frage von Leben und Tod. Aber sind die Menschen auf der Gaskonferenz bereit, endlich Verantwortung für die Tragweite der Situation zu übernehmen?

Wir brauchen kein neues Gas, kein neues Öl

Seit Samstag finden rund um die Konferenz Proteste statt. Menschen aus unterschiedlichsten Hintergründen beteiligen sich an den Aktionen. Sie fordern Antworten auf Probleme, für die es bereits Lösungen gibt.

Wir brauchen kein neues Gas. Wir brauchen kein neues Öl. Wir brauchen Sicherheit. Wir brauchen erneuerbare Energien. Erneuerbare Energien helfen uns, Gaskraftwerke abzuschalten. Durch die Dämmung unserer Häuser und den Einsatz von hocheffizienten Wärmepumpen benötigen wir weniger Gasheizungen und haben niedrigere Energierechnungen. Die Industrie kann zum Teil weitgehend auf Elektrizität umsteigen, und der Energiebedarf wird sinken, wenn unsere Fahrzeuge kleiner und elektrisch sind.

Wir brauchen viel: visionäre Entscheidungsträger, aktive Bürgerinnen und Bürger, gut durchdachte Gesetzgebung und erfahrene Handwerkerinnen und Handwerker. Aber wir brauchen kein neues Gas. Nicht, wenn wir politische Vereinbarungen wie das Pariser Abkommen ernst nehmen. Wissen das die Gasbosse auf der Konferenz? Falls nicht, werden sie zumindest die Berichte lesen, die zeigen, dass in einer sich wandelnden Wirtschaft neue Gasprojekte Milliarden von wertlosen Euros einbetonieren und letztendlich ihren eigenen Unternehmen ernsthaft schaden werden?

Hört endlich auf, uns im Stich zu lassen

Offensichtlich nicht. Deshalb blockieren wir die Konferenz. Auf unseren Protesten erinnern wir die Männer in Anzügen daran, dass selbst Jugendliche verstehen, dass ihr fossiles Geschäft zukunftsunfähig ist. Stehen Sie hinter der Wissenschaft, nicht hinter verschlossenen Türen.Veränderung muss kommen, und Gaskonferenzen müssen verschwinden. Für meine Freundinnen und Freunde innen, die im ukrainischen Krieg gefallen sind, ist es zu spät. Aber für den Rest unserer Generation wird unser Schicksal jetzt geschrieben. Wir fordern von den Entscheidungsträgerinnen, dass sie endlich aufhören, uns im Stich zu lassen und radikal in die Zukunft eintreten.

Ilyess El Kortbi, 26 Jahre alt, ist Sprecher der ukrainischen Fridays For Future-Bewegung, floh vor dem Krieg und kämpft weiterhin für das Klima.

Michael Spiekermann, 24 Jahre alt, ist Sprecher der österreichischen Fridays For Future-Bewegung und Umweltmanagement-Student in Wien.

Michael Spiekermann.
Michael Spiekermann.Privat

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.