Nachruf

Autor und Aktivist Erwin Riess ist tot

Herr Groll rollt und grantelt nicht mehr: Erwin Riess, Autor auch im „Spectrum“ der „Presse“, ist im Alter von 66 Jahren gestorben.

Am vergangenen Samstag ist der langjährige „Spectrum“-Autor, Schriftsteller, Publizist, Behindertenaktivist und Politikwissenschaftler Erwin Riess verstorben. Er war einer der am meisten unterschätzten Intellektuellen Österreichs, ein im Ausland erfolgreicher Theaterautor, ein großer Essayist – und er schrieb über ein Jahrzehnt lang die Kolumne „Herr Groll auf Reisen“ für die Wiener Straßenzeitung „Augustin“. Darin ließ er den grantelnden Rollstuhlfahrer-Groll auf den bürgerlich-distinguierten Dozenten treffen und politische Themen verhandeln. Diese beiden Figuren prägen auch seine Kriminalromane. Fürs „Spectrum“ verfasste er zahlreiche historische Artikel sowie Buchrezensionen.
Warum Erwin Riess' Werk nicht die Aufmerksamkeit zuteil wurde, die es verdient hätte, hat wohl damit zu tun, dass er aufgrund eines Rückenmarkstumors im Alter von 25 zum Rollstuhlfahrer wurde – und mit seinen offen linken Positionen: Er rollte unermüdlich für sozial Schwache, Ausgegrenzte und Diskriminierte.

Seine Leidenschaft: die Donau

Erwin Riess kam am 13. März 1957 als Sohn eines späteren Betriebsleiters der Hütte Krems zur Welt. Schon als Bub streifte er durch die Donauauen und war fasziniert von den vorbeifahrenden Schiffen. Der Strom ließ ihn seither nicht mehr los. Im Laufe der Jahre wurde Erwin Riess zu Österreichs profundestem Kenner der Geschichte der Donau. Wenn wir in Tuttendörfl bei der Rollfähre saßen, konnte er mir zu jedem vorbeifahrenden Schiff sagen, wann und wo es gebaut worden war, was es transportierte und wo es die Ladung löschen werde.

Erwin Riess war aber auch ein streitbarer Aktivist für die Sache der Behinderten. Er bekämpfte Österreichs Rückständigkeit in puncto Barrierefreiheit, legte sich mit Gastronomen und Hoteliers an, wenn es um behindertengerechte Eingänge und Toiletten ging, und war ein vehementer Verfechter des Rechts auf Sexualität von behinderten Menschen. Kritik übte er auch an der Darstellung von Behinderten als „armen Hascherln“ bei „Licht ins Dunkel“. Sein Plädoyer galt angemessenen staatlichen Unterstützungen, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu können und nicht Almosenempfänger sein zu müssen.
Was Erwin Riess aber vor allem war: ein begnadeter Freund! Man konnte über seine (Selbst)Ironie lachen, man konnte mit ihm, ohne die Freundschaft zu gefährden, über politische Themen streiten, und man konnte mit ihm über die Unauslotbarkeit der Frauen diskutieren.

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