Pizzicato

Klassenausflug des Kabinetts

Eigentlich sollte es mit den Nachtsitzungen in Berlin vorbei sein, die unter Angela Merkel berühmt-berüchtigt waren.

Für die Ex-Kanzlerin galt: Wer das größte Sitzfleisch hat und über die Kapazität verfügt, den natürlichen Schlaf-Rhythmus zu negieren, gewinnt. Merkel war darin Meisterin aller Klassen, wie Staats- und Regierungschefs aus Brüsseler Marathonsitzungen leidvoll wissen.

Sie hatte es indes in Berlin nur mit zweieinhalb Parteien zu tun: der CDU, der CSU – der Schwesterpartei der bayerischen Freidenker als Appendix – und der SPD. Die Dreier-Koalition hat dagegen dem Merkel-Epigonen Olaf Scholz schon ein leises Machtwort abgenötigt.

Für „Ampelistinnen und Ampelisten“, wie die „Süddeutsche“ schrieb, gab es also allerhand zu besprechen, als sie sich am Sonntagabend um 18.30 Uhr im Kanzleramt zum großen Palaver trafen und nach 20 Stunden nur auseinandergingen, um gemeinsam zu Regierungskonsultationen mit dem niederländischen Kabinett nach Rotterdam aufzubrechen. Minister und Ministerinnen traten den Flug mit roten Augen, aber erster Klasse im Regierungsflugzeug an, während Berlin im Verkehrschaos versank. Nach der Rückkehr nach Berlin ging es mit der Gruppentherapie nach kurzer Nacht weiter – womöglich beschwingt und aufgeputscht von Bloody Mary und diversen Kräutern, wie bei einem Klassenausflug. (vier)

Reaktionen an: thomas.vieregge@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2023)

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