Wenn ein sicherheitspolitischer Autist das Heer reformieren soll

Fundament eines Neubaus des Bundesheeres müsste eine breit mitgetragene Sicherheitsstrategie sein. Darabos fängt lieber mit der Errichtung des Daches an.

Niemand wird bestreiten, dass das österreichische Bundesheer in seiner jetzigen Form nicht den europäischen und globalen sicherheitspolitischen Erfordernissen entspricht. Das tut auch beim Bundesheer niemand. Dort kennt man die Schwächen und Unzulänglichkeiten des Heeres ganz genau – man weiß, dass die Streitkräfte umgebaut, reformiert, neu strukturiert und ausgerichtet gehören. Der Wille zur großen Reform wäre da, obwohl der Frust unter den Offizieren gewaltig ist, weil im Heer schon seit so vielen Jahren umgeschichtet, repariert, ein Pflaster hier geklebt, eine Bandage dort angebracht wird.

Nein, die jetzige Bundesheer-Misere hat ihre Ursprünge schon, lange bevor Norbert Darabos Verteidigungsminister wurde. Die Ursünde hat die Politik zu verantworten, die diesem Bundesheer zwar immer so viele Mittel zur Verfügung gestellt hat, dass es einigermaßen weiterwursteln konnte, aber niemals genug, um eine effiziente und schlagkräftige, im Inland verehrte und im Ausland geachtete Streitmacht zu werden. Verteidigungsausgaben waren stets nur ein lästiger Es-muss-halt-sein-Posten.

Ja, und die österreichische Öffentlichkeit hat das Heer halt auch nur hin und wieder bei Paraden und gelegentlich beim Wegräumen von Unwetterschutt wahrgenommen. Während des Kalten Krieges verdrängten Politik und Öffentlichkeit jahrzehntelang die Bedrohungssituation, weil man im Hinterkopf immer dachte, die Nato werde das kleine, liebe, neutrale Österreich im Ernstfall schon vor den Kommunisten retten. Also musste man auch nicht viel in die Verteidigung investieren.

Österreich hat also gewissermaßen ein psychologisches Problem mit seinen Landesverteidigern: Sie sollen für einen eventuellen Bedrohungsfall schon da sein, aber voll dafür ausgebildet, ausgestattet und ausgerüstet wurden sie vom Gesetz- und Geldgeber nie.

Ein richtiger Felgaufschwung für die Landesverteidigung, eine Totalreform des Bundesheeres ist überfällig. Aber alles weist darauf hin, dass für eine solche Reform Norbert Darabos nicht der richtige Mann ist. Er zeigte in seiner jetzigen Amtszeit keinerlei Interesse für die inneren Befindlichkeiten des Bundesheeres, er managt den „Betrieb Bundesheer“ abgeschottet mit ein paar wenigen Vertrauten, er scheut den Kontakt mit Kollegen und Experten aus anderen Ländern (auch dieses Jahr will er angeblich wieder nicht zum wichtigsten Treffen westlicher Sicherheitspolitiker, der Münchner Sicherheitskonferenz, fahren), internationale Sicherheitspolitik ist ihm offensichtlich zuwider. Kurz: Österreich hat einen sicherheitspolitischen Autisten als Verteidigungsminister.

Da darf man sich dann auch nicht wundern, wenn er die größte Reform in der Verteidigungspolitik seit Bestehen des Bundesheeres in Angriff nimmt wie ein Häuslbauer, der bei der Errichtung seines künftigen Heimes mit dem Dach anfängt.

Das Fundament einer Totalreform müsste eine neue, möglichst von allen Bevölkerungsteilen, Parteien und Institutionen gutgeheißene und mitgetragene Sicherheitsstrategie sein. Bevor ich weiß, wie ein künftiges Heer aussehen soll, muss ich wissen, mit welchen Aufgaben ich die Soldaten betrauen will, mit welchen Herausforderungen und Bedrohungen sie fertig werden sollen, für welche Aufgaben sie im In- und Ausland vorgesehen sind, welche Fertigkeiten sie haben müssen.

In einem Entwurf für eine neue Sicherheitsstrategie, der für Darabos von seinen Spezialisten ausgearbeitet wurde und der seit Mitte Dezember kursiert, werden Aufgaben und Anforderungen schlüssig definiert. Nur, öffentlich diskutiert werden sie nicht.

Stattdessen präsentiert Darabos unter Druck seines Parteichefs, des Wiener Bürgermeisters und der „Kronen Zeitung“ in einer Hauruck-Aktion bereits seine Vision für ein künftiges Berufsheer. Ja, möglicherweise ist ein Berufsheer sogar das Richtige für Österreich. Aber das gehört breit diskutiert, darüber muss gestritten werden, da müssen vielerlei Spezialisten eingebunden werden.

Mit einer Schnellkochtopf-Aktion jedoch wird nichts herauskommen. Nur der Frust im Bundesheer, der ist noch viel, viel größer geworden.

E-Mails an: burkhard.bischof@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2011)

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