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"Von der Sozialhilfe ist nur eine eingestürzte Ruine über"

Sozialminister Johannes Rauch (r./Grüne) und ÖVP-Klubobmann August Wöginger
Sozialminister Johannes Rauch (r./Grüne) und ÖVP-Klubobmann August WögingerAPA/BKA/ANDY WENZEL
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Der Verfassungsgerichtshof erklärt mehrere Bestimmungen der Sozialhilfe für verfassungswidrig. Die Armutskonferenz fordert eine "Sanierung".

Die Armutskonferenz hat einen Tag nach dem Entscheid des Verfassungsgerichtshofs, wonach mehrere Bestimmungen der Sozialhilfe verfassungswidrig sind, eine "Sanierung" derselben gefordert. "Von der Sozialhilfe ist mittlerweile nur mehr eine eingestürzte Ruine über", so das Netzwerk in einer Aussendung am Mittwoch. Auch Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) wäre für eine Reform, hält eine Umsetzung in dieser Legislaturperiode aber für wenig realistisch.

Rauch wiederholte nach der Ministerratssitzung am Mittwoch seine Aussagen vom Vortag, wonach er nie einen Hehl daraus gemacht habe, "dass der Sachleistungszwang problematisch ist" - und nicht verfassungskonform, "wie sich jetzt herausgestellt hat". Die Regierung habe bereits in der Vergangenheit einige Anpassungen im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (SH-GG) vorgenommen, so Rauch. "Ich bin dafür, das insgesamt zu reformieren. Die Aussicht, dass das noch in dieser Legislaturperiode geschehen kann, schätzte ich nicht als besonders hoch ein", räumte er aber ein.

Wöginger will VfGH-Erkenntnisse berücksichtigten

Seitens des Koalitionspartners ÖVP machte deren Klubobmann August Wöginger im Pressefoyer nach dem Ministerrat dann auch deutlich, dass seine Partei den Status quo nicht zu ändern gedenkt: Man habe sich damals (2019, unter der schwarz-blauen Bundesregierung, Anm.) dazu entschieden, ein Rahmengesetz zu machen, die Länder haben einen "Spielraum". "Wir haben immer Unterschiedlichkeiten gehabt bei Sozialhilfe - weil es Ländersache ist." Er habe "kein Problem damit", betonte Wöginger. Wichtig sei, dass die VfGH-Erkenntnisse berücksichtigt werden.

Der VfGH gab am Vortag bekannt, dass es verfassungswidrig ist, dass die Länder für die Deckung eines erhöhten Wohnbedarfs (oder um besondere Härtefälle zu vermeiden) ausschließlich Sachleistungen gewähren dürfen (wie im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz festgelegt). Zwar sei einerseits das Ziel des Sachleistungsgebots legitim - nämlich die Verwendung von Leistungen für jenen Zweck sicherzustellen, für den sie gewährt werden. Höheren Leistungen - etwa für Mietkosten - steht andererseits aber ein höherer Bedarf gegenüber, den Hilfsbedürftige nicht beeinflussen können, z.B. besonders hohe Mieten. "Es kann also sachliche Gründe dafür geben, auch Zusatzleistungen durch Geld abzudecken", so der VfGH.

Die Armutskonferenz forderte am Mittwoch eine breite Reform: "Wir müssen ein neues sicheres Gebäude bauen, das Existenz, Chancen und Teilhabe sichert", verlangte das Netzwerk in einer Aussendung eine "ordentliche Sanierung".

„Direkte Überweisung der Miete kann sinnvoll sein"

Die flexible Auszahlung von Geld- wie Sachleistungen sei "hilfreich", so die NGO. "In bestimmten Fällen kann die direkte Überweisung der Miete sinnvoll sein, z.B bei einer Suchterkrankung oder einer psychischen Krise - aber als zu begründende Ausnahme, wie es in der Mindestsicherung früher auch möglich war." Pauschal angeordnete Sachleistungen würden hingegen weniger Selbstständigkeit bedeuten und könnten zu Stigmatisierung führen, denn: "In der schlechten Sozialhilfe weiß der Vermieter oder der Stromlieferant genau Bescheid, dass da einer Sozialhilfe hat." Aus der Praxis wisse man, "dass das eher zu Ungunsten der Betroffenen ausgeht", so die Armutskonferenz zu der nun vom VfGH aufgehobenen Bestimmung.

(APA)

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