"Wiener Zeitung"-Redaktion will Anteil vom ORF-Beitrag

Wiener Zeitung Wien, 24. 04. 2021 Wiener Zeitung - die �lteste Zeitung der Welt *** Wiener Zeitung Vienna, 24 04 2021 Wi
Wiener Zeitung Wien, 24. 04. 2021 Wiener Zeitung - die �lteste Zeitung der Welt *** Wiener Zeitung Vienna, 24 04 2021 Wi(c) imago images/SKATA (via www.imago-images.de)
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25 Cent pro Haushalt und Monat sollen den Fortbestand der "Wiener Zeitung“ sichern, wünschen sich die Redakteure. Denn der ORF dürfte mit der Abgabe ohnehin einen Überschuss erzielen.

Die Redaktion der "WienerZeitung" will 25 Cent pro Monat und Haushalt des geplanten ORF-Beitrags, um den Fortbestand des Journalismus in Print und Online zu sichern - so eine nun beschlossene Resolution. Insgesamt sollen so 12 Mio. Euro pro Jahr in eine "Stiftung WienerZeitung" fließen. Aufgaben der "WienerZeitung"-Mediengruppe abseits der Redaktion sollen "im Sinne einer sauberen Trennung" anders finanziert werden.

Die "WienerZeitung"-Redaktion moniert in einem Schreiben an die Bundesregierung, dass der Wirkungsbereich der künftigen Haushaltsabgabe zu kurz greife, da lediglich der ORF, aber nicht weitere öffentlich-rechtliche Medien erfasst seien. Zugleich dürfte für den ORF künftig mehr Geld eingehoben werden, als er zur Erfüllung seines öffentlich-rechtlichen Auftrags benötige. Schließlich dürften mehr als 100.000 Unternehmen zusätzlich die Abgabe leisten müssen.

Ein dadurch entstehender Überschuss käme laut ORF-Chef Roland Weißmann - sofern er überhaupt zustande kommt - auf ein Sperrkonto. Anstatt dort zu landen, böte sich die Möglichkeit für eine sichere künftige Finanzierung der "WienerZeitung", so die Redaktion.

Republik finanziert "Wiener Zeitung“ nicht weiter

Die Forderung der "WienerZeitung" ist eine Reaktion auf das geplante Vorhaben der Regierung, die republikseigene Zeitung künftig nicht länger als Printtageszeitung zu finanzieren. Stattdessen soll primär auf online gesetzt werden. Zudem soll die journalistische Aus- und Weiterbildung im Rahmen eines "Media Hub Austria" ausgebaut und eine Contentagentur eingerichtet werden. Ein entsprechendes Gesetz soll laut Entwurf am 1. Juli in Kraft treten. Die Redaktion der "WienerZeitung" geht davon aus, dass es so zu "desaströsen Personalmaßnahmen" komme, die de facto eine "Zerschlagung der Redaktion und der Medienprodukte nach sich ziehen" würde.

Dass der geplante ORF-Beitrag in Höhe von ca. 15,20 Euro (exkl. Landesabgaben) laut Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) auch "Betriebsstätten" betreffen wird, beschäftigt die Wirtschaft. "Aus unserer Sicht ist es wichtig, dass es keine Mehrbelastung für die Unternehmen gibt, es braucht einen fairen Ausgleich", erklärte der Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Karlheinz Kopf, gegenüber dem "Standard". Derzeit zahlen laut "WienerZeitung" rund 200.000 Unternehmen die GIS-Gebühr.

Dass alle rund 700.000 Betriebsstätten im Land künftig den ORF-Beitrag zahlen müssen, ist aber höchst unwahrscheinlich. So sollen Einpersonenunternehmen ausgenommen werden, wodurch mehrere hunderttausende Betriebsstätten für die Haushaltsabgabe wegfallen, aber immer noch mehr als derzeit übrig bleiben dürften.

Resolution

Die Resolution im Wortlaut

Die Redakteursversammlung der „Wiener Zeitung“ beschließt in ihrer Sitzung vom 28. März 2023 einhellig folgende

zur dauerhaften Absicherung der Finanzierung des
öffentlich-rechtlichen Qualitätsjournalismus der „Wiener Zeitung“

An den s. g. Herrn Bundeskanzler Karl Nehammer, MSc
die zuständige Fachministerin s. g. Frau Dr. MMag. Susanne Raab
sowie die Mitglieder der Bundesregierung und die Parlamentsklubs!

Die Journalistinnen und Journalisten der Redaktion der „Wiener Zeitung“ begrüßen ausdrücklich die Einigung der Regierungsparteien auf Einführung einer Haushaltsabgabe zur Absicherung der Finanzierung öffentlich-rechtlicher Medien in Österreich. Private wie auch öffentlich-rechtliche Medien stellen in ihrer Gesamtheit unbestritten ein Grundgerüst einer funktionierenden Demokratie dar.

Allerdings greift der geplante Wirkungsbereich der neuen Haushaltsabgabe unserer Ansicht nach zu kurz, da er lediglich den Journalismus des ORF umfasst, nicht jedoch anderer öffentlich-rechtlicher Medien. Das offenbart sich schon im gewählten Namen „ORF-Beitrag“.

Die geplante Ausweitung der Zahlungspflicht der Haushaltsabgabe auf alle österreichischen Unternehmen führt dazu, dass mehr als 100.000 Unternehmen die Abgabe neu leisten müssen. Auf die Wirtschaft insgesamt kommen daher nach Expertenschätzung Mehrkosten im hohen zweistelligen Millionen-Euro-Bereich zu. Es ist davon auszugehen, dass (wie auch bei der Einführung der Haushaltsabgabe in Deutschland) letztlich deutlich mehr eingehoben wird, als der ORF für seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag benötigt, also ein Überschuss entsteht. Dieser Überschuss, der laut den Bestimmungen ohnehin auf einem Sperrkonto angespart werden muss, bietet jetzt auch die Möglichkeit für eine sichere künftige Finanzierung der „Wiener Zeitung“.

Den Unternehmen hat die Medienpolitik noch vor wenigen Wochen erklärt, dass die „Wiener Zeitung“ als Tageszeitung eingestellt wird, um 20 Millionen Euro an Beiträgen der Wirtschaft für das Amtsblatt einzusparen. Nun werden diese Unternehmen aber überraschend mit einem sogar mehrfach höheren Beitrag belastet.

Das führt im Ergebnis zur schlechtesten denkbaren Lösung: Die Unternehmen zahlen insgesamt künftig deutlich mehr und der Qualitätsjournalismus der „Wiener Zeitung“ wird dennoch massiv reduziert.

Unseren Berechnungen zufolge reichen bereits 12 Millionen Euro pro Jahr aus, um den weit über die Grenzen Österreichs anerkannten öffentlich-rechtlichen Journalismus der Redaktion der „Wiener Zeitung“ in Print und Online in vollem Umfang weiterbestehen zu lassen.  Die im aktuellen Gesetzesentwurf der Regierung vorgesehenen Mittel für die Wiener Zeitung GmbH fließen jedoch in eine hoch umstrittene Aus- und Weiterbildungsstätte, eine Content-Agentur und ein völlig unklares Nachfolgeprodukt der „Wiener Zeitung“.

Daher fordern wir die Bundesregierung und die Abgeordneten des Nationalrats auf:

1)      Die Redaktion der „Wiener Zeitung“ mit 12 Millionen Euro pro Jahr auszustatten, damit es nicht zu desaströsen Personalmaßnahmen kommen muss, die de facto eine Zerschlagung der Redaktion und der Medienprodukte nach sich ziehen werden.

2)     Diese 12 Millionen Euro sollten wie von namhaften Experten vorgeschlagen idealerweise durch Zweckwidmung von 25 Cent pro Monat der Einnahmen Haushaltsabgabe für eine „Stiftung Wiener Zeitung“ gewährleistet werden. Diese Stiftung soll das Weiterbestehen des Qualitätsjournalismus der „Wiener Zeitung“ vollumfänglich sicherstellen.

3)     Andere Aufgaben der „Wiener Zeitung“ Mediengruppe abseits der Produktion von öffentlich-rechtlichem Journalismus sollten im Sinne einer sauberen Trennung der öffentlichen Mittel auch auf anderem Wege finanziert werden.

Damit wird auch dem Wunsch von tausenden hochrangigen Vertreterinnen und Vertretern aus Kultur, Medien, Wirtschaft, Gesellschaft, Politik, Religion und zahllosen Leserinnen und Lesern der „Wiener Zeitung“ Rechnung getragen, die über alle Parteigrenzen hinweg für den Weiterbestand der „Wiener Zeitung“ kämpfen. Das unterstreicht die ungeheure Akzeptanz, die in der Bevölkerung für dieses immerhin seit 320 Jahren bestehende öffentlich-rechtliche Medium herrscht. Es offensichtlich ohne nachvollziehbaren Grund einzustellen, kann nicht Ziel einer faktenorientierten, erfolgreichen Medienpolitik sein.

Die Redaktion und ihre gewählten Vertreterinnen und Vertreter stehen jederzeit für konstruktive Gespräche zur Zukunft des Qualitätsjournalismus der „Wiener Zeitung“ zur Verfügung.  

(APA)

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