Warum sich nichts ändert

Armut hat so viele Gesichter, dass jeder eines findet, das seine Meinung bestätigt.

Ist man arm, wenn man sich keinen Urlaub leisten kann? Oder erst, wenn man nichts zu essen hat? Und kann man sagen, die Armen werden ärmer, obwohl ihre Einkommen steigen? Man kann, je nachdem, wofür man die Zahlen braucht. Der grüne Sozialsprecher Karl Öllinger etwa findet den Bericht der Statistik Austria „erschütternd“ (er ist ja Oppositionspolitiker), sein Wiener Parteikollege David Ellensohn dagegen sieht den von der rot-grünen Stadtregierung eingeschlagenen „Weg zur Bekämpfung der Kinderarmut“ (die Mindestsicherung für Kinder wurde angehoben) bestätigt.

SPÖ-Sozialsprecherin Renate Csörgits, einst Vizepräsidentin des ÖGB, lobte die von der Bundesregierung gesetzten Maßnahmen der Arbeitsmarktbelebung: „Wir haben es geschafft, vielen Menschen das Schicksal der Arbeitslosigkeit und der Armut zu ersparen.“ Die derzeitige ÖGB-Vizepräsidentin Sabine Oberhauser fordert „mehr Anstrengungen, um der Armut endlich ein Ende zu setzen“. Das BZÖ schlägt mehr Schwarzarbeitskontrollen vor. Kurz: Jeder liest aus dem Bericht heraus, was er ohnehin schon immer gesagt haben will.

Für die Armen hat man Patentrezepte parat, etwa höhere Mindestlöhne. Den meisten „Working Poor“ würden solche aber nicht helfen, da sie gar keinen regulären Job haben. Dass sich für sie und die anderen Armen, wie viele auch immer es sein mögen, etwas ändert, ist aber ohnehin unwahrscheinlich– in einem Land, in dem sich jeder durch die Armutsstatistik nur bestätigt fühlt.


beate.lammer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.