Gastkommentar

Öffentlich-rechtlich heißt unparteiisch!

Replik. Wer die Schlagseite in ORF-Sendungen nicht sehen und hören will, sollte eine Woche „ZiB“ und Ö1-Journale konsumieren.

Der Autor:

Paul Mychalewicz ist Historiker und Anglist sowie Lehrbeauftragter an der Pädagogischen Hochschule Wien.

Gegen Ende ihres Leitartikels („Die Presse“ vom 27. 3.) erwähnt Heide Rampetzreiter die ungesunde Nähe von Politik und manchen ORF-Mitarbeitern. Es erscheint notwendig den Gedanken weiterzuführen, womit man beim Objektivitätsgebot für den öffentlich-rechtlichen ORF landet.

Es ist kein Zufall, dass der Leitartiklerin primär Fälle eingefallen sind, die im politischen Spektrum rechts oder Mitte-rechts einzuordnen sind. Denn über diese Ereignisse wurde im ORF viel ausführlicher berichtet. Im Gegensatz dazu wurden systematische Handlungsweisen der politischen Nähe und der extensiven Inseratenvergabe, die aber das Spektrum links der Mitte betrafen, rasch wieder verräumt.

Wenn zart auf solche Auffälligkeiten hingewiesen wird, packt die zuständige ORF-Journalistenschar gern eine wirksame Keule aus, nämlich die ebenfalls gesetzlich verankerte „Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit aller programmgestaltenden Mitarbeiter“. Dabei wird jede noch so fundierte und sachliche Kritik als Majestätsbeleidigung dargestellt. So wird jeder angemessene Diskurs verunmöglicht.

Wer die Schlagseite in den Sendungen der Radio- und Fernsehprogramme nicht sehen und hören will, ist eingeladen, sich eine Woche ausgiebigen Konsum etwa von „Zeit im Bild 1“ und „2“ sowie viel mehr noch die „Ö1- Journale“ und die verschiedenen Sprechsendungen dieses vorgeblichen Kultursenders zu gönnen. Gerade in Letzteren wird massiv Ideologie transportiert.

Das Ziel kann aber keine Umorientierung in die andere Richtung sein, sondern Maßnahmen zu einem zielführenden Umgang mit dem Spannungsverhältnis von journalistischer Unabhängigkeit und Objektivitätsgebot. Dazu scheint ein Verhaltenskodex unumgänglich. Elementares journalistisches Handwerkszeug wie „Check – Recheck, Double-check“ muss eine Selbstverständlichkeit sein. Dann kann es etwa nicht passieren, dass die Äußerung eines einzelnen Personalvertreters als Gesamtmeinung der Personalvertretung dargestellt wird. Ebenso muss das Prinzip „Audiatur et altera pars“ unbestritten und eine angegriffene Person entsprechend zu hören sein. Wenn sich schließlich ein Vorwurf als unbegründet erweist, so ist darüber natürlich zu berichten.

Social Media nicht verbietbar

Ein besonderes Augenmerk ist überdies auf das Verhalten von Journalisten eines öffentlich-rechtlichen Mediums außerhalb ihrer Sendungen zu richten. Damit sind wir bei der im Leitartikel angesprochenen Neutralität. Man wird Journalisten nicht generell die Verwendung von Social Media verbieten können. Dennoch erscheint ein bestimmter „Code of Conduct“ unerlässlich. Der Gebrauch für Hinweise auf eigene Beiträge ist selbstverständlich in Ordnung. Diesbezüglich sollte es keinen Unterschied zu Printjournalisten geben. So habe ich etwa den Tweet von Heide Rampetzreiter, wonach der hier angesprochene Text ihr erster Leitartikel wäre, als durchaus sympathisch gefunden. Für nicht angemessen, ja geradezu unzumutbar, halte ich Social-Media-Auftritte von manchen ORF-Journalisten, in denen sie für ihre ausgeprägten politischen Ansichten werben. Sie machen dies ja unter der Verwendung ihrer Bekanntheit aus der beruflichen Tätigkeit, die dem Objektivitätsgebot unterliegt. Die Unterscheidung zwischen dem Kampagnenreiter und dem vorgeblich neutralen Beitragsgestalter wird für den Medienkonsumenten schwer zu treffen sein. Dafür eine adäquate Lösung zu finden muss im Interesse der ihrem Berufsethos verpflichteten Mitarbeiter sowie eine essenzielle Aufgabe der ORF-Spitze sein.

E-Mails an:debatte@diepresse.com

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2023)

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