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FPÖ protestiert gegen Selenskij-Rede, leere Plätze bei SPÖ

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij während der Übertragung seiner Videoansprache
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij während der Übertragung seiner VideoanspracheAPA/ROBERT JÄGER
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Während der ukrainische Präsident per Video eine Rede im Nationalrat hält, stellt die FPÖ Tafeln auf und verlässt den Saal. Bei der SPÖ fehlt während der Ansprache fast die halbe Fraktion.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij hat Österreich für die Hilfe für sein Land gedankt. In einer per Video in den Plenarsaal des Nationalrats übertragenen Rede betonte Selenskij am Donnerstag, dass es wichtig sei, "moralisch nicht neutral gegenüber dem Bösen zu sein". Seinem Land gehe es nicht um Geopolitik oder um militärisch-politische Angelegenheiten, hielt er fest: "Es geht darum, dass ein Mensch immer ein Mensch bleiben muss." Es sei ein "totaler Krieg Russlands gegen unsere Menschen", an dem jeden Tag Menschen ihre Leben verlieren würden. Die FPÖ übte im Anschluss harsche Kritik - einige Mandatare der SPÖ blieben der Rede fern.

Als einer der letzten EU-Staaten hatte Österreich Selenskij die Gelegenheit gegeben, vor dem Parlament zu sprechen. Als einzige Fraktion gegen die Rede des ukrainischen Präsidenten waren die Freiheitlichen. Wie angekündigt protestierte die FPÖ denn auch gegen den Video-Auftritt Selenskijs im Parlament.

Tafeln mit der Aufschrift "Platz für Frieden"

Nach der Begrüßung durch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) klatschten die FPÖ-Abgeordneten als einzige nicht. Stattdessen holten die Blauen zu Beginn von Selenskijs Ansprache Tafeln mit der Aufschrift "Platz für Frieden" und "Platz für Neutralität" hervor, die sie vor sich auf den Pulten platzierten. Dann verließen sie geschlossen den Saal. Klubobmann Herbert Kickl hatte im Vorfeld den anderen Fraktionen vorgeworfen, sie seien "zu einer gefährlichen und undifferenzierten Endsiegrhetorik übergegangen". Damit griff er zu einem einschlägig belasteten Propagandabegriff.

Protestaktion der FPÖ während der Übertragung der Videoansprache
Protestaktion der FPÖ während der Übertragung der Videoansprache APA/ROBERT JÄGER

Sobotka betonte gegenüber Selenskij, dass "die politische, finanzielle und humanitäre Unterstützung der Ukraine für die Österreicherinnen und Österreicher ein großes Anliegen" sei. Österreich habe die Ukraine bisher mit über 129 Millionen Euro an finanzieller und humanitärer Hilfe unterstützt. "Wir werden diese Hilfe weiter fortsetzen." Fast 94.000 ukrainische Vertriebene hätte in Österreich Zuflucht gefunden. Rund 200 österreichische Unternehmen seien in der Ukraine aktiv. Und Sobotka versicherte Selenskij, dass sich Österreich auch beim Wiederaufbau der Ukraine nach Kriegsende "sowohl im Rahmen der EU als auch bilateral, konkret und aktiv beteiligen wird". Sobotka: "Das offizielle Österreich ist zwar militärisch neutral, nicht aber politisch."

"Kickl ist solidarisch mit Putin, wir mit der Ukraine"

Die anderen Fraktionen wiesen in ihren anschließenden Redebeiträgen die Freiheitlichen zurecht. Selbstverständlich sei Selenskijs Rede mit der Neutralität vereinbar, betonte der außenpolitische Sprecher der ÖVP, Reinhold Lopatka. Er kritisierte, dass die FPÖ-Abgeordneten dem ukrainischen Präsidenten den Rücken gekehrt haben: "Schade, dass sie ein solches Verhalten an den Tag legen. Wirklich schade." Die Ukraine habe sich "mutig und entschlossen" dem Aggressor Russland entgegengestellt - "das verdient Respekt". Dass der Internationale Strafgerichtshof ein Verfahren gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin eingeleitet hat, sei richtig - Putin habe aber weiter Unterstützer in der Welt, und auch in Österreich, wie man gesehen habe, bedauerte Lopatka. "Kickl ist solidarisch mit Putin, wir sind es mit der Ukraine."

"Wenn hier im Hohen Haus jemand die Neutralität verrät, dann ist es die FPÖ", meinte auch die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic. Die FPÖ entziehe sich dem demokratischen Diskurs, und "das ist eine Schande", betonte sie. "Österreich ist solidarisch an der Seite der angegriffenen Ukraine." Dieser Krieg gefährde massiv die Stabilität in der gesamten Welt. Mit Blick auf die aufgenommenen Vertriebenen bedankte sich Ernst-Dziedzic bei der Zivilgesellschaft, dass sie derart solidarisch sei.

Nur 18 der 40 roten Mandatare anwesend

Für Irritationen sorgte aber nicht nur die FPÖ, sondern auch die mangelnde Anwesenheit der SPÖ-Abgeordneten. Die Neos berichten, dass nur 18 der 40 roten Mandatare bei dieser geschichtsträchtigen Sitzung dabei waren. Einer von ihnen der rote Vizeklubchef Jörg Leichtfried. "Wenn man in einem Jahr ausschließlich 30 pro-russische Anträge hier einbringt, ist das weder ein Signal für Frieden noch ein Signal für Neutralität", sagte er in Richtung FPÖ. Die außenpolitische Sprecherin der SPÖ, Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner war indes nicht anwesend. Österreich habe von Beginn an schnell und entschlossen auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine reagiert. Er hoffte, dass die "Konfliktspirale" bald gestoppt werden kann.

Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger sprach Selenskij Respekt und Anerkennung aus. Die Ukraine kämpfe gegen "blinde Zerstörungswut". Russland führe nicht nur einen Krieg gegen die Ukraine, sondern gegen Europa und den gesamten Westen. Sie frage sich, welches Kriegsverbrechen Putin nicht begangen habe in der Ukraine, besonders hob sie die hohe Zahl an Kindesentführungen hervor. Wer hier auf der falschen Seite stehe, "macht sich zum Kollaborateur von diktatorischen Regimen", richtete sie den FPÖ-Abgeordneten aus. "Ich schäme mich heute sehr", erklärte Meinl-Reisinger, dass es auch hier im Hohen Haus Abgeordnete gebe, "die nicht unterscheiden können zwischen Opfern und Tätern".

Hundert Friedensaktivisten vor dem Parlament

Auf der Regierungsbank wohnten Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP), Sozialminister Johannes Rauch (Grüne), Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP), Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Staatssekretär Florian Tursky (ÖVP) der Veranstaltung bei. Von der Galerie aus verfolgten unter anderen Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der ukrainische Botschafter Wassyl Chymynez und der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Oskar Deutsch die Rede.

Vor dem Parlament demonstrierten dagegen an die hundert Friedensaktivisten, Vertreter der Kulturszene und linken Gruppierungen gegen die Rede Selenskijs. Aktivist Stefan Krizmanich etwa sprach von einer "Schande für die Republik", dass ein Präsident, der offen mit Ultranationalisten kooperiere, die Opposition ausschalte und Schwarze Listen dulde, das Wort im Parlament ergreifen durfte. 

(APA/Red.)

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