Nach Horror-Sturz: Skiwelt bangt um Hans Grugger

Nach HorrorSturz Skiwelt bangt
Nach HorrorSturz Skiwelt bangt(c) EPA (Mitchell Gunn)
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Der Salzburger war in der Mausefalle schwer gestürzt. Nach einer Notoperation liegt er auf der Intensivstation. Das ÖSV-Team ist geschockt, Michael Walchhofer stellt sich die Sinnfrage: "Warum tun wir uns das an?"

Kitzbühel. Den Zuschauern stockte der Atem, plötzlich war es im Zielraum der Kitzbüheler Streif still. Hans Grugger, der 29-jährige Salzburger, hatte mit Startnummer fünf das Abfahrtstraining in Angriff genommen, kam nach dem Sprung bei der Mausefalle verhängnisvoll zu Sturz. Er schlug mit dem Kopf auf der harten Piste auf, blieb regungslos liegen. Grugger hatte das Bewusstsein verloren, erste Helfer und Ärzte waren gleich zur Stelle.

Hans Grugger hatte beim Abflug die Kontrolle über die Skier verloren, nach der Erstversorgung und künstlicher Beatmung wurde er in die Universitätsklinik nach Innsbruck geflogen. Zunächst war von einem Schädel-Hirn-Trauma die Rede, später bestätigten Ärzte der Innsbrucker Klinik der „Presse“, dass Grugger „sehr schwere Kopfverletzungen“ erlitten habe. Es musste sofort eine mehrstündige Notoperation durchgeführt werden. Gruggers Zustand wurde als sehr kritisch bezeichnet. Am Abend hieß es, dass der Eingriff gut verlaufen sei und Grugger auf die neurochirurgische Intensivstation verlegt worden sei. Der Zustand des 29-Jährigen wurde in der ZiB 2 als "stabil" beschrieben.

Bergung dauerte sehr lange

Die Tragweite des Sturzes war allen sofort klar. Die Bergung dauerte lange. Grugger war zu keinem Zeitpunkt ansprechbar, konnte erst nach einer halben Stunde mit dem Hubschrauber ausgeflogen werden.
Die Betreuer im Zielraum blickten entsetzt in die Runde. Keiner wollte einen Kommentar abgeben. Hilflosigkeit. Auch bei Hans Pum, der als Sportdirektor bzw. Herrencheftrainer schon viele Stürze ansehen musste. Er war auch dabei, als Gernot Reinstadler am 19. Jänner 1991 in Wengen sein Leben verlor.

Schröcksnadel fassungslos

Das ÖSV-Team ist geschockt, das war auch Stunden nach den schrecklichen TV-Bildern deutlich spürbar. Präsident Peter Schröcksnadel wirkte nervös und aufgewühlt. Und fassungslos. Herrencheftrainer Mathias Berthold war sichtlich mitgenommen. Alles wartete auf Informationen aus der Klinik.

„In solchen Momenten“, gestand Anton Giger, seit Sommer Leiter der Entwicklungsabteilung, „ist man froh, dass man nicht mehr Trainer ist.“ Erinnerungen an den Sturz von Matthias Lanzinger wurden bei ihm wach. Giger war damals als einer der Ersten beim Sturzopfer, die Bilder hat er heute noch vor Augen. „So etwas vergisst du nie.“ Lanzinger musste damals ein Bein abgenommen werden.
Michael Walchhofer, der heuer zwei Abfahrten und einen Super-G gewann, rang um Worte. Der Ex-Weltmeister hatte den Sturz von Hans Grugger oben am Start auf dem Monitor gesehen. „Das sind diese Momente, in denen man sich fragt, warum man sich das antut“, sagte er mit krächzender Stimme. Walchhofer war am Mittwoch beim Training gestürzt, mit einer Kehlkopfprellung und Knieschmerzen davongekommen.

Tags darauf kommen ihm diese Blessuren selbst wie eine Lappalie vor. Gegen den Schrecken hat er nur ein Mittel. „Wenn du es da nicht schaffst, zu verdrängen, musst es bleiben lassen.“ Walchhofer stieß sich Minuten nach Gruggers Sturz trotzdem am Start ab. Eine konzentrierte Fahrt sei aber nicht möglich gewesen. Und das auf der Streif. „Hier ist alles gefährlich, jede einzelne Passage!“

„Die Streif verzeiht nichts“

Ohne Ambitionen absolvierte auch Mario Scheiber seinen Trainingslauf. „Jeder kleinste Fehler wird bei uns bestraft“, sinnierte er. „Die Streif verzeiht nichts!“ Er schüttelte dabei den Kopf und sagte: „Ich bin froh, dass ich gesund ins Ziel gekommen bin. Ich habe bewusst Tempo herausgenommen. Solche Stürze und solche Bilder kannst du nicht ausblenden.“

Klaus Kröll, der Wengen-Sieger, teilt mit Grugger das Zimmer. „Ich habe den Sturz zum Glück nicht gesehen, weil ich mich für meinen Start fertig gemacht habe“, erzählte er und blickte dabei ungläubig drein: „Die Geschwindigkeit ist so hoch, der Sprung bei der Mausefalle geht weit – und die Sicht war auch so schlecht. Passieren kann immer etwas, aber warum muss es immer einen so schlimm erwischen?“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2011)

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