Kommentar

Russland und die SPÖ: Es ist kompliziert - und unwürdig

NATIONALRAT MIT BUDGETREDE: LEICHTFRIED
NATIONALRAT MIT BUDGETREDE: LEICHTFRIEDAPA/HELMUT FOHRINGER
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Der halbe (!) Parlamentsklub der SPÖ fehlte bei der Rede des ukrainischen Präsidenten. Das ist unwürdig - aus dem Nichts aber kam es nicht.

Man kann die freiheitliche Haltung rund um den Ukraine-Krieg kritisieren, man kann in diesem Zusammenhang tagtäglich an blaue „Putin-Freundschaftsverträge“ erinnern. Man kann sich über hanebüchene Formulierungen echauffieren, wie etwa diese Woche von Herbert Kickl, der den anderen Parteien allen Ernstes antirussische „Endsiegrhetorik“ vorwarf. Was man der FPÖ aber wahrlich nicht vorwerfen kann: Dass sie ein Geheimnis aus ihrer Position in diesem Krieg machen würde. Auch am Donnerstag bei der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj waren die Blauen recht klar: Aus Protest gegen die Rede, deren Zustandekommen die FPÖ mehr als ein Jahr lang zu verhindern versuchte, verließen die Freiheitlichen den Saal. Abgesehen von einem fragwürdigen Eindruck in punkto Diskurs hinterließen sie auf ihren Plätzen Taferl mit der Aufschrift „Platz für Frieden".

So weit, so klar.

Bei der SPÖ allerdings ist die Sache anders, nämlich: ungleich komplizierter. Da hat zwar einerseits Vizeklubchef Jörg Leichtfried in seiner Rede der FPÖ vorgeworfen, es sei „kein Signal für Frieden und Neutralität“, „wenn man in einem Jahr ausschließlich 30 pro-russische Anträge hier einbringt“. Die Kritik wäre glaubwürdiger gewesen, wenn die SPÖ den Auftritt nicht ebenso boykottiert hätte, wenn auch nur auf ihre Art: etwas holpertatschig. Mehr als die Hälfte (!) der 40 roten Nationalratsabgeordneten fehlten bei der Übertragung der Rede des ukrainischen Präsidenten, manche sah man anderswo im Parlament. Parteichefin Pamela Rendi-Wagner ließ nach Beginn der Rede ausrichten, sie könne leider aus gesundheitlichen Gründen nicht daran teilnehmen.

Und es ist dies nicht das erste Mal, dass Rote in punkto Russland - gelinde gesagt - etwas ausscheren. Ein kleiner Auszug: Im Jahr 2014, bereits nach der russischen Annexion der Krim, rief die heutige SPÖ-Abgeordnete und damalige SJ-Chefin Julia Herr ihren eigenen Parteichef via Aussendung dazu auf, endlich „den Sanktionskurs gegen Russland zu beenden“. Der „Russland-feindliche Kurs“ sei „eine Schande für ein neutrales Land wie Österreich“, schrieb sie damals. Sehr feindlich mutete der damals übrigens nicht an: Im selben Jahr war SPÖ-Mann und Bundespräsident Heinz Fischer dabei, als man bei einem Wirtschaftskammer-Empfang mit Putin feixte, auch 2018 wollte er Außenministerin Karin Kneissl wegen ihrer Einladung Putins zu ihrer Hochzeit „keinen Vorwurf“ machen. Diese Liste ließe sich fortführen.

Kurzum: Der rote Protest mag nicht so vorhersehbar gewesen sein wie der blaue. Wirklich überraschend kam er nicht.

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